Das Inselcamp
satt.«
Tom stand auf und ging weg. Sie hörten, dass er irgendwo im Dunklen auf Jott stieß. »Wohin?«, fragte der Diakon. Tom fand es nicht nötig zu antworten. »Morgen Abend«, sagte er nur, »morgen Abend bin ich dran.«
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Die Kleinen
Am nächsten Tag regnete es. Die zwölf saßen drinnen, erst beim Frühstück, dann beim Nähen, und die Nähe bekam ihnen nicht. Pitt lieferte sich Rededuelle mit Simone und Judith. Dann mit Tom. Wirklich abgesehen hatte er es auf Britt. Aber die wollte keinen der Bälle, die er ihr zuspielte, auffangen. Schließlich forderte Pitt Tamara zu einem Rundgang über die Insel auf. Und sie kam mit.
»Und eure Arbeit?«, fragte Johanna. Tamara winkte ab. »Ich bin fast fertig. Ab morgen kann ich anderen helfen.« Johanna zuckte zusammen. »Morgen«, sagte sie zu Simone, die neben ihr hockte. »Nähen. Übermorgen. Nähen. Überübermorgen. Wieder nähen. Ich werde verrückt.«
Lena stand draußen im Regen und sah zu ihnen herein. »Ich könnte vorlesen«, sagte sie. »Bibel, oder was?«, entfuhr es Simone. »Was sonst?«, meinte Lena. Die allgemeine Begeisterung war verhalten. Aber das änderte sich, als Lena begann. Sie las so, wie sie von der Bergpredigt erzählt hatte: unheimlich lebhaft. Das Nähen ging plötzlich leichter.
Als Jott draußen im Regen zu grillen begann, steckte Lena mitten in der Apostelgeschichte. Ihre Stimme war trocken und spröde geworden. Aber zehn hörten zu. Zwei fehlten, und das waren schon lange nicht mehr Pitt und Tamara. Britt war fortgegangen, als die beiden von ihrem Spaziergang zurückkamen, und kurz nach ihr Tom.
Jotts vergebliche Bemühungen lenkten die Aufmerksamkeit ab.Lena klappte ihre Bibel zu. Philip hatte den Diakon im Blick. »Das wird nie was!«, sagte er. Er legte seinen Stoff zur Seite und ging hin. »Tun Sie was gegen den Regen«, sagte er. »Ich übernehme die Steaks.«
Nachdem Jott eine halbe Stunde lang eine Zeltplane über Philip und den Grill gehalten hatte, waren vierzehn perfekt gegrillte Steaks fertig, und Paprika, Tomaten und Kartoffeln rösteten in der Glut.
Es wurde ein Festessen. Die Stimmung stieg – bis plötzlich aus dem Regen draußen Britt auftauchte. »Tom!« Sie keuchte und zeigte hinter sich. »Es ist wegen Tom! Kommt, kommt mit!« Sie vergaßen die letzten Brocken. Sie sprangen auf und rannten.
Zum Campingplatz gehörte eine Seebrücke. Bei Ebbe war sie ein Steg über das glitschige Watt, jetzt aber, bei Flut, führte sie weit hinaus über tiefe, unruhige Wasser.
Am Kopf der Brücke stand Tom. Zuerst erkannten sie nicht, was mit ihm los war. Er trug eine Badehose. Auf Zehen wippte er am äußersten Rand. In den Armen hatte er etwas Dunkles, Großes, Schweres. Es schien mit ihm verbunden, ihm um den Hals gebunden zu sein. »Keinen Schritt weiter«, flüsterte Britt. »Das hat er mir gesagt. Sonst springt er.«
»Was wird das, wenn’s fertig ist?«, fragte Philip, während die anderen schrien. Jakob stand stumm neben ihm. »Findet es heraus«, rief Tom zurück. »Ihr habt vierzig Minuten Zeit.«
Die elf riefen, fragten und brüllten durcheinander. »Wenn er vierzig Minuten so stehen bleibt, ist er morgen todkrank«, sagte Lena zu Jott. Der Diakon nickte. »Eile tut not«, bemerkte er mit seiner langweiligen Stimme.
Britt fuhr zu ihm herum. »Tun Sie doch was!« Jakobsen wandte sich ab. »Ihr habt ihn gehört«, sagte er abwehrend. »Es ist euer Auftrag.« Simone packte seinen Arm. »Steht das auch in der Bibel?«, fragte sie. »Suchet, so werdet ihr finden«, antwortete Jott.
Lena hatte ihr Neues Testament noch in der Hand. Eine Taschenlampe fand sich auch. In einem engen Kreis scharten sich die elf um das Buch und das Licht. »Hat einer eine Idee?«, fragte Philip mit belegter Stimme.
Lena lehnte sich an das Brückengeländer und behielt Tom im Blick. Der Diakon plantschte mit den Füßen in der seichten Brandung, als mache er nur einen späten Spaziergang. Jakob war wie gelähmt. Lena sah, dass er halb abgewandt stand. Seine Augen blieben nicht bei der Bibel. Immer wieder wanderten sie zu Tom.
»Stein und Wasser«, sagte Tamara immer wieder. Und dann: »Markus 9.« Wenig später traten Jacques und Philip zögernd auf die Brücke. »Hör zu, Tom«, rief Philip. »Ist es das?« Und Jacques las laut: »Und wer einen dieser Kleinen, die an mich glauben, zum Abfall verführt, für den wäre es besser, dass ihm ein Mühlstein an den Hals gehängt und er ins Meer geworfen
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