Das Inselcamp
würde!«
Tom ließ fallen, was er in den Armen hielt. Schwer krachte es ihm vor die Füße. Ein Stein gewiss, ein schwerer Brocken, wenn auch nicht gerade ein Mühlstein. Tom löste das Seil von seinem Hals. Lena atmete auf. Zehn traten langsam näher.
»Du spinnst doch total«, sagte Philip und schlug dem Freund auf die Schulter. Die Mädchen schwiegen. Pitt schüttelte den Kopf. »Wie Johanna sagte«, meinte Andi. »Wir werden noch wahnsinnig.« Jakob war nicht mit auf die Brücke gegangen. Er hatte sich abgewendet. Er lief zurück zu den Zelten.
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Kleines wird groß
Jakob kam wieder, als sich die anderen zurückgezogen hatten. Sie hatten Tom zurückgelassen, mit der Versicherung, dass das Abendprogramm vorbei sei. Dass Judith und Andi auch noch am Strand blieben, kriegte höchstens Lena mit. Und die sagte nichts.
Jakob hatte ein großes Handtuch geholt. Er ging dorthin, wo Tom im Sand kauerte, und legte es ihm um die Schultern. »Ich bin kein Kleiner«, sagte er. Er ließ sich neben dem Anführer der Jungen vom Berg nieder.
Tom wickelte sich in das Tuch. Er war kalt geworden. »Es war falsch von mir, dich auszulachen«, sagte Tom. Jakob nickte. »Du konntest nicht anders«, sagte er. »Pitt hat darauf gewartet.«
Am Brückengeländer, dort wo Judith und Andi lehnten und der ablaufenden Flut nachsahen, zuckte Andi zusammen. »So ist das mit Pitt«, bestätigte er leise. Judith legte ihre Hand auf seine. »Du machst nicht immer, was er sagt«, behauptete sie ernst.
»Warum soll ich machen, was Pitt erwartet?«, sagte Tom zu Jakob. Jakob wusste es nicht. »Wie auch immer«, meinte er schließlich. »Meine Süßigkeiten sind weg. Und mir geht es besser.« Tom wandte sich ihm zu.
»Wozu hast du sie gebraucht?«, fragte er. Jakob hob die Schultern. »Als mein kleiner Bruder geboren wurde«, sagte er, »haben sie mir Schokolade geschenkt.« Er legte die Hände auf seinen Bauch. »Ich dachte wohl, so ist das jetzt: die Liebe für den Kleinen und für den Großen Schokolade.«
Tom stand auf und hielt ihm die Hand hin. »Du bist der Große«, sagte er feierlich. Jakob schleuderte eine Ladung Sand auf Tom, als er hochkam. »Ich bin der Große«, wiederholte er. Dann bewarfen sich Tom und Jakob mit Sand. Und Andi und Judith machten mit.
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Talente
Die beiden folgenden Abendprogramme waren nicht so aufregend. Johanna erzählte von Israel. Sie war schon mal dort gewesen.
Tamara hatte neue Lose angefertigt. Jeder der elf erhielt einen Vers aus dem Lukasevangelium, und als sie ihre Verse richtig zusammensetzten, ergaben sie eine Geschichte: Lukas 10,25bis 37, das Gleichnis vom barmherzigen Samariter. »Und ich«, sagte Tamara am Ende, »bin aus Samaria.«
Am vorletzten Abend der ersten Woche luden Philip und Jacques zum »Bergfest«. »Aber Jacques ist doch gar nicht vom Berg«, sagte Tamara. »Jacques ist von nirgendwo«, kommentierte Tom. »Bergfest heißt«, erläuterte Philip: »Wir haben die Hälfte hinter uns!« Er grinste breit vor Vorfreude. Aber Judith und Andi tauschten nachdenkliche Blicke.
Zur Feier des Tages – oder des Abends – gab es weißes Brot, rote Linsen und grünen Salat. Zum Nachtisch reichlich Dattelpaste. Niemand war begeistert. Außerdem standen zwei Wasserkanister bereit. »Gänsewein«, bemerkte Johanna enttäuscht. »Beim Kiosk gibt’s Cola«, bemerkte Jakob. Aber er schnitt dabei eine Grimasse. Und Pitt lachte und sagte: »Das ist vorbei.«
Britt, die ganz für sich am Feuer saß, hob den Kopf. »Oh, ja«, sagte sie deutlich. Während Johanna und Simone sich darüber verständigten, dass alle Übertreibung schlecht sei, auch im Fasten und einfachen Leben, erklang auf einmal Trommelwirbel.
Philip saß hinter einem Schlagzeug aus Konservendosen, einer grob gezimmerten Sperrholzkiste und einem Plastikkanister. Mit zwei Holzlöffelstielen hämmerte er darauf herum. »Ziemlich gekonnt«, bemerkte Pitt und sah sich neugierig nach Tom um, dem König derer vom Berg. Das hast du nicht gewusst? Tom spürte den Blick und erahnte die Frage. Aber er tat so, als zähle er Sterne.
Matti und Jakob versuchten, Philips Schläge mitzuklatschen. Simone, die sie beobachtete, grinste. »Er ist schneller«, sagte sie und deutete auf Philip.
Das brachte Judith dazu, aufzustehen. Sie straffte sich, schloss die Augen und holte Luft. Dann machte sie etwas wie Springen oder Tanzen oder Trommeln mit Hacken und Zehen. Es sah wahnsinnig aus. Und es
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