Das Internat
Jane. Bisher hatte Mattie noch keine Möglichkeit gehabt, ihre Anrufe zu beantworten, vermutlich war sie zu aufgelöst wegen der Neuigkeiten über Chief Daniels. Mattie hatte gehofft, etwas Aufmunterndes von Jameson zu hören, mit dem sie Jane beruhigen könnte. Doch er hatte sich noch nicht gemeldet.
Jane hatte Mattie eine Nummer gegeben, von der sie meinte, dass sie eine sichere Verbindung für Gespräche und Nachrichten wäre. Beim ersten Versuch erwischte Mattie nur einen Anrufbeantworter. Sie entschuldigte sich, weil sie nicht früher angerufen hatte, und bat Jane um einen Rückruf.
Während Mattie auf Breezes Erscheinen und Janes Rückruf wartete, benutzte sie ihren Laptop, um der italienischen Stadtverwaltung in Ravello eine E-Mail zu schreiben, in der sie um eine Auskunft bezüglich einer Geburt bat. Ihren Titel erwähnte Mattie bewusst, in der Hoffnung, den Vorgang zu beschleunigen. Der Gärtner hatte sie mit seiner Geschichte über die Frau, die er auf den Klippen gefunden hatte, auf eine Idee gebracht. Mattie schränkte die Recherche auf das Jahr ein, in dem David Grace' Frau gestorben war, und auf das Baby einer amerikanischen Mutter. Wahrscheinlich suchte sie die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen, aber sie musste es wenigstens versuchen.
Etwas aus Breezes Erkundigungen beschäftigte Mattie. Sie hatte gesagt, dass Cynthia Grace im August gestorben sei. Genau in der Zeit hatte Miss Rowe einen langen Urlaub in Europa unternommen. Wenn Mattie sich richtig erinnerte, war Miss Rowe in Italien gewesen. Eine Verbindung schien weit hergeholt, außer dass Miss Rowe definitiv eine Affäre mit Cynthia Grace' Ehemann hatte. Und sie war nach diesem Urlaub völlig verändert an die Schule zurückgekehrt. Kalt und berechnend hatte Miss Rowe immer gewirkt, eine Furcht einflößende Figur für eine Vierzehnjährige, aber nach dem Sommer schien die Direktorin wütend und auf gefährliche Art von etwas besessen zu sein. Die Vorstellung, ihre einsamen Mädchen in minderjährige Prostituierte zu verwandeln, wurde zu einer fixen Idee, für die Miss Rowe bereit war, alles zu tun. Auch wenn das bedeutete, dass sie die Mädchen opfern müsste. Als Mattie jetzt darüber nachdachte, kam Miss Rowe ihr fast selbstzerstörerisch in ihrem Treiben vor. Außerdem gab es ja noch den Brief an den Geliebten, in dem Miss Rowe von tragischen Verlusten und wertvollen Geschenken sprach. An David Grace, wenn Jane recht hatte.
Weit hergeholt, vielleicht, dachte Mattie, aber zwei Menschen sind tot und ich werde verfolgt. Es wäre verrückt, die Sache nicht zu verfolgen.
Jameson fuhr vor Frank O'Neills umzäuntem mediterranen Anwesen vor. Die mobilen Übertragungswagen der versammelten Presse konnte er nicht übersehen. Einige Journalisten hatten sich bereits auf den Grasflächen und dem Bürgersteig eingerichtet und warteten mit geschulterter Kamera und gezückten Mikrofonen – wie feindliche Truppen, die zum Angriff bereit waren.
Statt anzuhalten, rief Jameson von seinem Handy aus im Haus an und erreichte Franks Frau. Er kannte Lane flüchtig, weil sie und Frank seit einiger Zeit verheiratet waren. Bislang hatte Jameson sich über Lane keine Meinung gebildet. Jetzt da Mattie ihm ein paar Hintergrundinformationen gegeben hatte, war er neugierig. Wie Lane und Frank sich kennengelernt hatten, wusste Jameson nicht. Wie eine Liebesheirat hatte ihre Ehe jedoch nie gewirkt, und sie schienen immer unterschiedlichen Hobbys und Interessen nachzugehen. Frank kam gewöhnlich allein zu geschäftlichen Veranstaltungen. Im Fitnesscenter war Jameson Frank das erste Mal begegnet, im Laufe der Jahre hatte er Frank häufig für Bücher und Artikel interviewt.
Lane sagte, dass Frank nicht zu Hause sei, aber sie verriet Jameson nicht, wo er ihn erreichen könne. Dass in ihrer Stimme kein Anflug von Besorgnis lag, überraschte Jameson. Vielleicht machte sie nur gute Miene zum bösen Spiel, aber sie klang ruhig und gefasst. Er nahm die Gelegenheit trotzdem wahr, um sein Bedauern auszusprechen.
"Ich habe von Franks Problemen in der Zeitung gelesen", erklärte er, "und habe gehofft, ihm als Freund helfen zu können. Dies ist kein geschäftlicher Anruf, also, wenn einer von euch beiden etwas braucht, lasst es mich wissen."
Jetzt klang Lane erleichtert. "Ich bin mir sicher, dass er Unterstützung gebrauchen könnte, aber ich weiß wirklich nicht, wo er steckt. Er sagte, er müsse wegfahren, allein sein. Ich mache mir Sorgen", gab sie zu.
"Könnte er zu der
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