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Das Isaac-Quartett

Das Isaac-Quartett

Titel: Das Isaac-Quartett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jerome Charyn
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muss ich wissen.«
    »Er kann sich an seinen eigenen Namen nicht mehr erinnern, Isaac. Wenn du einmal pustest, fällt er um.«
    »Mach dir keine Sorgen. Ich fange ihn rechtzeitig auf.«
    Isaac ging in Bummys Küche. Es stank nach Bratenfett und Altmännerpisse. Milton Gulavitch bohrte mit dem Daumen Warzen aus einer Kartoffel. Die Furchen dieses Daumennagels faszinierten Isaac sehr. »Gula?«
    Isaac hatte keine Paranoia wegen des Alten. Oft stand Gulavitch vor dem Präsidium, verfluchte Isaac und schrie nach seinen Brüdern. Kürzlich erst hatte er gedroht, sein Imperium wieder zu errichten und es Isaac auf den Schädel zu knallen. Barney Rosenblatt hatte sich erboten, Gulavitch wegzuzerren. Isaac wollte es nicht zulassen.
    »Hör mal, Gula, hast du Neffen und Nichten in Brooklyn? Hast du sie gegen mich aufgehetzt?«
    Gulavitch sah von seiner Kartoffel auf. »Stirb, Isaac. Das ist das einzige, was du für mich tun kannst.«
    Er trug die Klappe nicht, und Isaac blieb nichts anderes übrig, als in einen blauen Stumpf zu starren, seine eigene unsaubere Arbeit. Spucke lief unter Gulavitchs Zunge zusammen. »Eines Tages wird dir der Schwanz abfallen, Isaac. Dann bist du meiner Gnade ausgeliefert.«
    Isaac betrachtete das Interview als beendet. Er ignorierte Bummys gerunzelte Stirn und ging zu Fuß in die Crosby Street. Nach diesem unbefriedigenden Ergebnis fiel ihm nichts mehr ein, und er wollte seinen Bruder besuchen. Er hätte Leo an jedem Wärter oder Aufseher vorbeischleusen können, doch Leo wollte sich nicht von der Stelle rühren. Isaac brauchte Leos Namen nicht einmal zu knurren. Die Wärter führten ihn in den Besucherraum und schauderten unter den Blicken des Chefs. Leo bedeutete eine Peinlichkeit für sie; mit jedem Tag, den er Sträflingskleidung trug, mussten sie damit rechnen, höher auf Isaacs Abschussliste zu rutschen. Sie bibberten vor Nervosität.
    »Wirst du respektvoll behandelt, Leo?«, murmelte Isaac, während die Wärter fluchtartig den Raum verließen.
    Leo verdross es, dass die Wärter in alle Richtungen davonliefen. Er wollte nicht mit seinem Bruder allein sein. »Das hättest du nicht tun sollen, Isaac. Sie behandeln mich gut.«
    »Sie würden dir das Hirn aus dem Schädel trommeln, Schmock, wenn du nicht mein Bruder wärst. Glaubst du immer noch, dass sie es gut meinen?«
    »Das ist mir gleich. Das ist der Lauf der Welt. Deinetwegen bin ich unantastbar.« Leo zitterte in seinem lose baumelnden Hemd wie eine Vogelscheuche; selbst in einem verfluchten Gefängnis war er nicht sicher. Isaac kam in jedes Mauseloch. Manhattan war sein Schlaraffenland.
    »Leo, ich habe unsern Vater gesehen. Er ist noch am Leben … malt Porträts. Er hat mich nach dir gefragt.«
    Leo entrang sich ein Laut, fast ein Knurren. »Ich habe keinen Vater.«
    Leos heftige Reaktion überraschte Isaac. »Ich sage dir doch, dass er lebt … Joel, Joel. Ich habe ihn zwei Mal gesehen.«
    Leo packte Isaac an der Westentasche. »Es gibt keine verfluchten Joels, Isaac. Ich warne dich. Mach mich nicht wahnsinnig.«
    Die Tasche riss ab. Isaac ließ die Finger seines Bruders in den zerrissenen Säumen stecken. Die Gewalttätigkeit gegenüber Isaacs Tasche schien Leo zu beruhigen. Er zog seine Finger zurück, um in die Knöchel zu weinen. »Seinetwegen ist Sophie im Krankenhaus. Sie wäre normaler, wenn dieser elende Pelzhändler nicht abgehauen wäre. Glaubst du, sie hätte sich andernfalls in einen Trödelladen verliebt? Du hast deine Handgemenge gehabt, Isaac, deine Schachrätsel und deine famosen Kumpel, Philip und Mordecai. Dir hat es an nichts gefehlt. Aber was ist mit mir? Ich war langsam, Bruder. Ich konnte eine Reihe Bauern nicht halten, und bei der sizilianischen Verteidigung habe ich es auch zu nichts gebracht. Ein Vater hätte mir sicher geholfen.«
    Der forschende Blick seines Bruders bereitete Isaac Unbehagen; er war nicht gekommen, um sich über die Existenz Joels zu streiten. Und warum sollte er sich früherer Fähigkeiten schämen? Sein überragendes Können im Schachspiel hatte Isaac vor fünfundzwanzig Jahren verloren. Er wurde wieder zum Polizisten und sondierte, was sein kleiner Bruder wusste.
    »Wo ist Marilyn? Ich bin über ihre Schritte informiert. Sie besucht dich hier. In Mamas Zimmer im Krankenhaus geht sie ein und aus. Sag mir, wer ihr unter die Achseln greift, Leo. Sie ist zu heikel, um sich in einer Mülltonne zu verstecken. Jemand nimmt sie Tag und Nacht bei sich auf.«
    »Das kann ich dir nicht

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