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Das Isaac-Quartett

Das Isaac-Quartett

Titel: Das Isaac-Quartett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jerome Charyn
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Gesichter erschütterten ihn. Isaac war eingeschüchtert. Er griff nicht nach den gelben Bällen.
     
    Den Chef erwartete ein Geschenk in der Centre Street: eine Sonderausgabe des Toad. Auf dem Titelblatt prangte das Wort »MEU-CHELMÖRDER« fett gedruckt, als Verfasser war Tony Brill angegeben. Brodsky und Isaacs Gummiknüppeltrupp konnten die Titelblätter nicht vor Isaac verbergen. Barneys Leute zogen in Schwärmen durch das Präsidium, vom Keller bis zur gigantischen Kuppel über den Räumen des PC und stopften den Toad in alle zugänglichen Ecken.
    »Schund«, verkündete Brodsky, nachdem er Tony Brill gelesen hatte. Der Toad beschuldigte Isaac mit klumpiger Tinte in flammenden Rändern, eine »Todeskampagne« gegen Rupert Weil und die Kinder New Yorks aufzuziehen. »Wer ist der Nächste?«, kreischte Tony Brill von der zweiten Seite. »Wie viele von uns werden ihre Söhne und Töchter dem gefräßigen Ungeheuer im Polizeipräsidium opfern müssen? Werden wir alle im Walfisch landen?«
    »Alles Scheiße«, sagte Brodsky. »Isaac, soll ich ihm die Füße brechen?« Der Chauffeur bemerkte das Absurde seiner Drohung. An Tony Brill war jetzt nicht mehr ranzukommen. Im Präsidium verlautete, Tony Brill sei vom Toad zum Time -Magazin übergewechselt.
    »Brodsky«, sagte Isaac, »scher dich zum Teufel. Ich habe zu tun.« Er ließ Brodsky die Tür schließen. Der Chef hatte etwas zu tun. Wenn er sich auf die Guzmanns konzentrierte, musste er nicht an Marilyn denken. Daher plante er seinen nächsten Anschlag. Die Guzmanns waren gegen die meisten Schliche immun: Jorge hatte Fühler unter seinen Ohrenschützern, mit denen er eine Pistole unter Strumpfgürteln und Büstenhaltern schnüffeln konnte. Isaac würde keine gewöhnlichen Spione einsetzen. Er musste einen Bullen einsetzen, bei dem niemand darauf kam. Wer würde in die Bronx gehen, um die schwarze Halva der Guzmanns zu vergiften? Brodsky? Coen? Cowboy Rosenblatt? Isaac war in der Klemme. Er hatte niemanden, den er schicken konnte. Marilyn kroch in das Land zwischen Isaacs Mauern. Er konnte sie nicht aus dem Raum verbannen.
    Der Gummiknüppeltrupp stand vor Isaacs Tür. Die Jungen verfluchten Tony Brill und rissen Isaacs Bild aus den Titelseiten des Toad. »Psst«, sagte Brodsky. »Wollt ihr den Boss stören? Er denkt da drinnen.«
    Marilyn saß im obersten Geschoss des Busbahnhofs Port Authority, an ihren Koffer gelehnt. Bis zum nächsten Bus an die Westküste musste sie noch Stunden totschlagen. Sie hockte in einem abgelegenen Winkel mehrere hundert Meter von der Rolltreppe entfernt. Bei dem Gedanken an Gesellschaft, ob männlich oder weiblich, wurde ihr übel. Sie hätte ihre Eingeweide über die Wand verteilt, wenn sie jemandem ihre Flucht vor drei Ehemännern, Blintzen und ihrem Vater hätte erklären müssen. Sie wollte nicht »Isaac« sagen.
    Ein Kerl in Büffellederimitation entdeckte Marilyn auf seiner vierten Runde durch den Busbahnhof. Er nannte sich Henry. Marilyns bestrumpfte Beine machten ihn nicht an. Henry interessierte sich für ihren Koffer. Heute Morgen hatte er eine Polaroid erwischt und einen Seidenschirm; mit Marilyns Zeug konnte er seinen Juden an der Siebenunddreißigsten Straße aufsuchen und einen Zwanziger kassieren. Er hatte sich in einen Hut in Ohrbachs Fenster verliebt.
    »Hallo, Süße«, sagte er und setzte sich neben den Koffer. Marilyns finsterer Blick schreckte ihn nicht ab. Henry fragte sich, ob das Mädchen eine Professionelle war. Wer sonst hätte sich mit einem Fuß in der Luft auf einen Balkon gesetzt? Nur eine Hure. Sie hatte anbetungswürdige Knie, ein kräftiges irisches Gesicht und beträchtliche Beulen unter dem Mantel, wo ihre Titten anzusiedeln waren. Das Weib gehörte jemandem. Angenommen es war Zorro, der Spanier aus der Bronx, der die Zuhälterrechte an allen Busbahnhöfen New Yorks besaß. Das konnte Henry den Kragen kosten. Die Guzmanns waren unmenschlich. Sie kamen aus einem Wald in Peru. Wenn man sich an ihren Frauen zu schaffen machte, bissen sie einem die Nase ab und ließen Teile von einem in einem Papierkorb zurück. Dieses Risiko musste Henry eingehen.
    Erst wollte er die Lage auskundschaften. »Bist du eine Freundin von Zorro, Schätzchen?« Die Hure antwortete nicht. »Gehörst du zur Handelsware der Guzmanns?« Henry fühlte sich jetzt sicherer. Er schnappte den Koffer und rief: »Tschüss, Puppe«, und rannte auf die Treppe zu, weil die verdammten Rolltreppen zu weit weg waren.
    Marilyn blieb auf der Bank

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