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Das Isaac-Quartett

Das Isaac-Quartett

Titel: Das Isaac-Quartett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jerome Charyn
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Teppichen ein Männerfuß versinken konnte, ungewöhnlich klein war. Ein Mädchen stand in einem Pullover, der erst Jerónimo gehört hatte, hinter der Tür; ihre Schultern wirkten verloren, doch die Form ihrer Brüste konnte der Pullover nicht verfälschen. Patricks Loyalität war ungeteilt. Die Guzmanns bezahlten ihn dafür, ihre Familie zu beschützen und ihre gesamten Interessen zu wahren. Dennoch war er nicht der Mann, der sich des Anblicks von Nippeln unter einem alten Pullover entziehen konnte.
    Das Mädchen lächelte über Patricks Socken. Sie hatte schon von diesem verrückten Leibwächter gehört, der im Keller einer Synagoge wohnte und Unterhemden und ein Halfter ohne Schusswaffe trug. Die Unebenmäßigkeit seines Gesichts gefiel ihr, die weißen Haare auf seinen Knöcheln und seine unvollkommene Nase. Das Mädchen war Odile Leonhardy, die jugendliche Pornokönigin, und sie bewunderte Männer mit gewaltigen Zinken. Sie war in die besseren Viertel gezogen und hatte sich im Plaza ein Zimmer gemietet, um den Durchbruch ins Filmgeschäft zu schaffen.
    »Wo ist ihre Jarmulke, Patrick Silver?«
    »In meiner Tasche«, sagte er.
    »Warum setzen Sie sie nicht auf?«
    »Ich trage sie nur beim Beten, Miss. Oder wenn mir kalt ist.«
    »Was ist mit dem Baby?«
    »Er sitzt unten.«
    »Kann man ihn unbesorgt allein lassen?«
    »Kein Bulle würde ihn je aus dem Plaza-Hotel holen, Miss. Ich sollte das eigentlich am besten wissen. Ich war dreizehn Jahre bei der Polizei.«
    »Nennen Sie mich nicht Miss. Ich bin Odile. Hat Zorro Sie nicht beauftragt, Jerónimo zu mir zu bringen?«
    Das Mädchen verwirrte ihn. »Nein! Zorro ist nach Atlantic City gefahren. Er hat mich gebeten. Sie aufzusuchen und Ihnen zu sagen, dass er eine Zeit lang weg ist.«
    »Was tut er in Atlantic City? Zorro hasst das Meer. Haben Sie je gesehen, dass er sein Hemd auszieht?«
    »Er ist nicht zum Schwimmen hingefahren. Er hat geschäftlich in New Jersey zu tun.«
    »Wie nett für ihn. Erledigen Sie Ihren Auftrag, Patrick Silver, und bringen Sie Jerónimo zu mir.«
    Wollte sie mit dem Baby »Backe-backe-Kuchen« spielen? Das war nicht Patricks Sache. Er drückte sich an den Wagen der Zimmermädchen vorbei und zerrte Jerónimo aus dem Foyer. Welche Art von Macht hatte Zorro über das Mädchen? Sie schnallte Jerónimos Gürtel auf und fauchte Silver an: »Warten Sie gefälligst draußen!«
    Patrick wurde auf seine alten Tage Mittelsmann (noch ein Jahr, und er würde fünfzig sein). Die Guzmanns hatten ihn zu einem irischen Zuhälter gemacht: Er war derjenige, der Jerónimo in Odiles Bett führte.
    Patrick musste dem Girren einer Hure lauschen; er konnte sich nicht von der Tür losreißen. Odile murmelte: »Jerónimo, Jerónimo«, und das Baby fing an zu stöhnen. Jerónimo schrie nicht aus Missvergnügen; so viel bekam Patrick mit.
    Durch die Wand drang kein Stöhnen mehr. Jerónimo konnte nicht mehr als drei Minuten drinnen gewesen sein. Sein Gürtel war zugeschnallt, als Odile ihn rausbrachte. In ihrem Pullover waren noch dieselben Knitterfalten. »Sagen Sie Zorro, dass Odile ihm Glück in Atlantic City wünscht.«
    »Wird gemacht, Miss.«
    Patrick nahm das Baby an der Hand und ließ sie auf ihrer Wanderung durch die Korridore nicht los. Jerónimos Handfläche war feucht. Sein Kopf hüpfte beim Gehen auf und ab, seine Schultern hingen schlaff nach unten, und in seiner Brust pfiff es, als er Silver zu den Aufzügen zerrte.
    Jerónimo brachte seinen irischen Wächter außer Atem. Patrick musste um Luft ringen. Die beiden alten Knaben traten in den Aufzug. Die anderen Fahrgäste starrten sie an. Patrick und Jerónimo hatten gewaltige grauweiße Schöpfe; ihre dicken Kleider rochen nach Winter; der Riese im Unterhemd glaubte nicht an Schuhe.
    Sie hielten wieder Händchen, als sie aus dem Aufzug traten; das Baby hielt Patrick am Daumen. Er führte seinen Wächter sicher unter den Markisenrändern des Plaza durch und in einen feuchtheißen Juli.
     
    Weibervolk trieb sich am Busbahnhof rum, Weibervolk und Spione. Knarren beulten Kleider aus, die Antennen von Funkgeräten kletterten Rücken hinauf, Zeitungspapier war in Büstenhalter gestopft worden; unter den wallenden Perücken steckten die blonden »Engel« von der Abteilung des First Deputy. Sie gehörten Isaac Sidel. Ihr Chef hatte seinen Krieg gegen die Familie Guzmann verloren, eine Sippe von Zuhältern und Lotterieeinnehmern aus der Bronx, Marranen aus der Boston Road. Papa Guzmann und seine fünf Söhne

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