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Das Isaac-Quartett

Das Isaac-Quartett

Titel: Das Isaac-Quartett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jerome Charyn
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Strömen der Third Avenue fahren. Sie würden sich an einem anderen Ende des Stadtteils niederlassen – ohne ein paar Meter Manhattan würde Philip eingehen. Sie würden Mordecai zu sich holen. Zu dritt würden sie gegen die Zuhälter antreten, die Honey gefangen hielten. Dann würde Rupert auf seinem geräderten Bett nach oben fahren und Stanley Chin aus der Häftlingsstation rausholen. Die Bullen würden nach dem großen jüdischen Tier schreien. Daraus würde sich Rupert nichts machen. Jenseits der Delancey Street existierte kein Isaac.
    Ruperts Seligkeit ließ nach. Wie konnte er Esther aus der Erde ziehen? Lehm in den Ohren würde sie nicht zum Leben erwecken. Seine Lenden waren gewitzter als kilometerlange Verbände. Bellevue, Isaac und das Mumientuch, in das sie ihn gewickelt hatten, konnten den Durchbruch seiner Erektion nicht aufhalten. Sie trieb sich durch die Gaze. Er weinte ohne eine Spur von Tränen in den Augen. Es waren nicht die spröden Tränen eines Trauernden. Sein Verlangen nach Esther ließ sich nicht von der Nadel eines Arztes stillen, nicht von Zucker in den Adern.
    Von Zeit zu Zeit tauchte ein Assistenzarzt auf und wunderte sich über den kaputten Jungen und seine Erektion. Die Schwestern konnten die Ausbuchtung in der Gaze sehen. Sie standen kichernd zusammen. »Praktisch bewusstlos und er kriegt ihn hoch.« Hinter seinen unbeweglichen Backen hätte Rupert sie anknurren mögen. Wo ist Mordecai? Wo ist mein Papa? Und als sie ihn umdrehten, ihm auf die Schenkel schlugen, um die Möglichkeit von Spermaflecken zu verringern, zischte Rupert durch die Nase. Meine Damen, ein Lollipop ist nicht kleinzukriegen.
    Die Tür ging auf. Er erwartete Krankenpfleger in schmutzig grünen Mänteln, die die Schläuche und Bettpfannen auswechselten. Er sah Gipsfäuste in einem Rollstuhl und einen Bullen mit traurigem Gesicht. Es waren Blue Eyes und Stanley Chin. Rupert lächelte, ohne seine Lippen zu lockern. Der Bulle war zurückhaltend. Er näherte sich nicht dem Bett. »Sag es ihm«, flehte Stanley. Coen ließ einen Arm hinter dem Rollstuhl baumeln. »Wollte dich nicht jagen im Sturm – du hättest nicht aufs Dach klettern sollen … Der Chef hat eine teuflische Feuerleiter. Es tut mir leid, Rupert.«
    Der Bulle schwieg wieder. Rupert musste nicht allzu genau hinschauen. Für Blue Eyes war der Sturm noch nicht vorbei; Farbsprenkel explodierten um Coens enorme Pupillen. Wo ist Lady Marilyn? Coen war so traurig wie Mordecai. Mumifiziert, an ein Brett gefesselt, war er froh, kein Blut aus Marilyns Hals gelöffelt zu haben. Coen konnte ihre Küsse brauchen.

PATRICK SILVER

TEIL EINS
1
    Patrick Silver ließ das Baby im Foyer des Plaza-Hotels zurück. Das Baby war vierundvierzig Jahre alt und saß auf einem gepolsterten Stuhl, die Knöchel auf dem Schoß. Es hieß Jerónimo. Ein Junge mit Grau um die Ohren, ein Guzmann aus der Boston Road. Seine Ausbildung erschöpfte sich mit der ersten Klasse. Er verbrachte den größten Teil seines Lebens im Süßwarenladen seines Vaters, von ihm und seinen zahlreichen Brüdern beaufsichtigt. Doch die Guzmanns lagen in einer Fehde mit der Polizei. Sie konnten das Baby nicht aus eigener Kraft beschützen. Sie mussten Jerónimo der Obhut Patrick Silvers anvertrauen. Patrick war vorübergehend sein Wächter.
    Jerónimo hatte Brombeeren im Kopf. Mit einem Teppich unter den Füßen und Kandelabern um seinen Stuhl herum dachte er an die Farm der Guzmanns in Loch Sheldrake. Jetzt war Brombeerzeit, und Jerónimo wollte seine Finger in die Dornensträucher stecken und Brombeersaft trinken. Doch er war hundert Meilen von Loch Sheldrake entfernt und wartete in einem Hotel mit rostfarbener Teppichwolle auf dem Boden auf Patrick Silver.
    In einem dreckigen Unterhemd fuhr Patrick Silver mit dem Fahrstuhl des Plaza. Der Riese, der nach Dubliner Bier stank, bereitete dem Liftboy Unbehagen. Silver war rotgesichtig. Er kam ohne Schuhe ins Plaza. In schlichten schwarzen Socken maß er einen Meter neunzig.
    Patrick streifte durch die Gänge des dritten Stockwerks. Zimmermädchen mit ihren Bettzeugwagen machten ihm Platz; ein unbeschuhter Mann war in den Augen der Mädchen, die ihre Nasen in den Wagen verbargen und Patricks Socken anstarrten, ein Verfluchter. Sobald Patrick an eine Tür geklopft hatte, gingen sie ihrer Arbeit wieder nach. Patrick murmelte nur drei Worte: »Zorro schickt mich.«
    Er trat in ein Zimmer, das für ein Hotel, dessen Aufzüge goldene Seitenwände hatten und in dessen

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