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Das Isaac-Quartett

Das Isaac-Quartett

Titel: Das Isaac-Quartett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jerome Charyn
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Zorro fertig. Auf Holz, das sich von seinen Füßen fortbog, konnte er nicht allzu weit gehen. Er brachte Jorge zu einem Laden, in dem man Karamellbonbons kaufen konnte. Jorge strahlte das Förderband an, das geröstete Erdnüsse vom Fenster zu einem Ofen ganz hinten im Laden transportierte. Eine Marionette mit lebhaften Händen rührte in einer Kupferschale hinter den Erdnüssen Karamellmasse. Das buschige Haar der Marionette erinnerte Jorge an seinen älteren Bruder. »Jerónimo«, grunzte er und vergaß einen Moment lang seinen Magen. Er wollte keine Bonbons – ob schwarz, weiß, grün oder gelb. Zorro musste ihm Schokoladengeld, Gummibären und Mandelmakronen kaufen.
    Sie kletterten über die Böschung der Promenade und wichen den Bimmelbahnen aus, die vor Passagieren überquollen, die große Strohhüte trugen und aus winzigen Flaschen Rum nuckelten. Sie lachten über Zorros Farbenpracht. »Komm mit, Buntstiftgesicht.« Jorge hätte die Züge auseinandergenommen, hätte Hüte über die Promenade verteilt, wenn Zorro ihn nicht mit einem Daumen in seiner Hose in Schranken gehalten hätte. »Papa hat dich gewarnt, dich nicht mit diesen Idioten einzulassen. Wir verlieren Isidoros Spur, Bruder, denk daran, was Isaac uns angetan hat. Er hat versucht, Jerónimo umzubringen. Er hat uns das Landhaus genommen.«
    Jorge schleuderte Makronenstücke in die Wagen. Er brummte Flüche, die nur ein Marrane hätte verstehen können. Er sprach in wirrem Portugiesisch. Doch er riss den Wagen nicht die Stoßstangen ab. Er blieb einen Schritt hinter seinem Bruder. Die Leute starrten sie von den Sonnenterrassen riesiger Hotels aus an, die an den Rand der Promenade grenzten. Der Rost auf den Kupferdächern der Hotels war schleimig grün geworden. Die Steinmauern der Sonnenterrassen bröckelten unter der Oberfläche ab. Jorge fuhr die aufgeworfenen Stellen mit dem Finger nach.
    Die Unreinheiten im Stein flimmerten unter der weichen Krempe seines Hutes. Jorge wäre mit einer Hand an der Mauer weitergebummelt, doch Zorro führte ihn von den Sonnenterrassen fort. Ein Ruck an seiner Hose, und sie standen in einer Zigeunerbude, die nicht mehr als eine hässlich klaffende Wunde in der Mauer war. Das Wort »Phrenologin« war in hübschem Gelb über die Bude gepinselt. Das erschreckte Jorge, der keine langen Wörter lesen konnte, obwohl er klüger war als Jerónimo. Jorge konnte eine Schleife bügeln, in ganzen Sätzen reden und unter Aufbietung all seiner Seelenstärke ins Herz einer Kloschüssel pinkeln. Wie alle seine Brüder hatte er keinen bestimmten Geburtstag (was solche Ereignisse betraf, war sein Vater abergläubisch), doch er war ein Sommerkind, im Januar geboren, während der peruanischen Trockenzeit vor knapp vierzig Jahren.
    Jorge spürte in dieser Zigeunerhöhle einen Hauch am Hals. Eine schwangere Frau in einem Herrenunterhemd saß hinter dem Eingang der Bude. Sie hieß die beiden Brüder mit einem gewaltigen Gähnen in ihrer Höhle willkommen; ihr Unterhemd legte sich in Falten, und durch ihren Bauch zogen sich Risse. Zorro interessierte sie nicht. Sie mochte kleine Ohren an einem großen Kopf. Jorge musste sich für die Zigeunerin bücken. Die Frau hauchte seinen Skalp an. Ohne Jorge zu berühren konnte sie die Formgebung seiner Ohrläppchen bestimmen und die Anzahl der Huppel auf seinem Schädel angeben. »Dieser Junge ist lüstern auf Frauen«, sagte sie. »Pass auf ihn auf. Seine Knie sind nicht stark. Er wird zu Fall kommen.«
    »Gut«, sagte Zorro. »Großartig. Ich werde auf die Knie meines Bruders aufpassen.« Er ließ fünf Dollar in das Unterhemd der Zigeunerin fallen. »Madame Sonia, sparen Sie sich Ihre Voraussagen. Unsere Religion gestattet uns keine Zukunft. Wir sind auf prähistorische Weise Katholiken. Wir lieben Jesus, aber wir haben nicht viel Verwendung für seine Mutter. Erwarten Sie daher kein Mitleid von uns. Mein Vater fühlt sich einsam ohne seinen Cousin. Wo ist Isidoro? Es heißt, Sie seien jetzt seine Hauswirtin.«
    Der Bogotano konnte nicht weit denken. Die Hälfte von Papas Schiebern und Anwerbern machte an der Uferpromenade zwischen der Texas Avenue und dem Steeplechase Pier Urlaub, weil Miami zu weit weg war. Die Schieber hatten Isidoro mit der schwangeren Hexe gesehen.
    »Seien Sie nicht gemein, Sonia. Sie haben die Wirbel im Haar meines Bruders gezählt. Er hat schon Heimweh. Sehen Sie es denn nicht? Er kriegt Blähungen, sowie er die Bronx verlässt. Wo ist Isidoro?«
    Ein Junge sprang hinter

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