Das Isaac-Quartett
dir.«
Dicht um Odiles Augen wurde der Schlamm rissig. »Scheiße«, sagte sie. »Wie hat dieser Ire bloß diese Kneipe gefunden?« Sie trat ans Fenster. Sie lächelte durch den Schlamm. Es war nur Herbert Pimloe. In einem schlaffen Leinenanzug stand er vor dem Dwarf. Isaacs Prügelknabe hatte sein Taschentuch vergessen. Er wischte sich die Stirn mit den Zipfeln seiner Krawatte ab. Die Schlammpackung verdross ihn. Vor einem Mädchen mit grünem Kiefer fürchtete er sich.
»Was soll das heißen, Odile?«
Sie wollte sich nicht mit Pimloe auf den Bürgersteig stellen. »Herbert, ich bin im Training. Geh weg.« Pimloe sah sie mit Kuhaugen an. »Ich will mit dir zusammenleben.«
»Deine Frau wüsste das nicht zu schätzen, Herbert.«
»Na und? Ich bin nie öfter als zweimal in der Woche zu Hause. Das schwöre ich dir. Isaac hält mich in Manhattan fest.«
»Bist du der Hätschelknabe des großen Juden?«
Pîmloe fuhr in seinem Leinenanzug zusammen. »Wer sagt das?«
»Patrick Silver.«
Pimloe wurde höhnisch. »Dieser Bubi. Dem ist seine eigene Synagoge abgebrannt. Odile, ohne mich kann Isaac seinen Namen nicht schreiben. Ich bin jetzt Chefinspektor. Silver ist ein Wickelkind mit einem schlaffen Halfter auf dem Bauch.«
»Hör auf zu lästern«, sagte sie. »Es könnte sein, dass ich mich entschließe, ihn zu heiraten.«
Odile zog sich ins Dwarf zurück und ließ einen geplätteten Pimloe auf der Straße stehen. Er wollte schon über die Türschwelle hopsen und Odile nachjagen, doch die Vorstellung von Sweeney und Janice in ihren maßgeschneiderten Anzügen vergällte ihm sein Vorhaben. Er machte sich auf den Weg ins Präsidium. Morgen würde er mit einem Trupp blauäugiger Bullen eine Razzia in der Bar veranstalten und diese fetten Cousinen auf die Straße zerren, um mit Odile allein zu sein. Pimloe war ein Harvard-Absolvent. Er würde das Mädchen überreden, mit ihm zusammenzuziehen, sie mit Versprechungen bestechen – Champagner, Pralinen und Pommes frites.
Die kleine Goie hatte keine Zeit, sich mit Herbert dem Bullen abzugeben. Sie musste den Schlamm von ihrem Gesicht schälen. Sweeney lieh ihr eine kleine Reisetasche, in die ihr Nachthemd passte. Janice wollte ihr kein Glück bei den Follies wünschen und sich auch nicht von ihr verabschieden. Sweeney schob sie mit einem zarten Kuss zur Tür hinaus. »Du brauchst dich nicht für diese schweinischen Männer auszuziehen. Du kannst hier bleiben und mit Janice und mir Pachisi spielen. Ich komme zu deinem Auftritt. Wenn die Schweine versuchen, dich zu betatschen, reiße ich die Dielen aus dem Boden.«
Odile spazierte mit Sweeneys Tasche zum Art Theatre der Greenwich Avenue. Plakate von gut entwickelten Damen und Mädchen waren an die Wände des Theaters geklatscht worden. Die Geschöpfe an den Wänden waren frei von jedem Makel; die Mädchen hatten erstaunlich weiße Zähne und keine braunen Flecken auf ihren Nippeln. Odile fragte sich, wie viele Fotografen dafür bezahlt worden waren, Schönheitsflecken auf den Plakaten zu retuschieren (selbst die Pornoqueen hatte ein paar winzige Muttermale auf dem Arsch). Sie ging rein, um sich einzutragen.
Der Manager der Follies, Martin Light, beäugte Odile. Er saß im Unterhemd da und teilte rosa Karten an alle Mädchen der Follies aus. Im Greenwich konnte man vor Hitze umkommen. Martin brachte den Thermostat nicht unter dreiunddreißig Grad. Eine halbe Minute lang hielt er Odile am Handgelenk fest. »Baby, die Ausbeute ist dieses Jahr mies. Du hast den Sieg schon in der Tasche. Das sehe ich sofort.« Er zwinkerte und schickte sie in den Verhau, den man hinter der Bühne als Aufenthaltsraum für die Mädchen hergerichtet hatte.
Unter solchen Mädchen fühlte sich Odile äußerst unwohl. Sie kicherten, kauten Kaugummi und wiesen eine Verbissenheit unter den Augen auf, die ihre wilde Entschlossenheit verkündete, unbekleidet auf die Bühne zu treten. Das betrübte Odile. Keines der Mädchen konnte es mit dem vollkommenen Schwung ihrer Brüste und den klaren Linien ihres Rückens und ihrer Beine aufnehmen.
Odile zog ihr Nachthemd an und hielt sich abseits von den Mädchen, die in ihren Kimonos, Pyjamas und Bademänteln herumlungerten oder sich in Bikinihöschen an den Wänden rieben. Die Luft in dem Verschlag wurde schlechter. Der heiße Atem der Mädchen bildete Wolken unter der Decke. Schlafanzüge fielen. Höschen wurden quer durch den Raum geschleudert. Diese Mädchen hatten eine Leidenschaft dafür, sich
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