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Das Isaac-Quartett

Das Isaac-Quartett

Titel: Das Isaac-Quartett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jerome Charyn
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auszuziehen.
    Martin Light stattete ihnen einen Besuch ab. Der Manager pflügte sich einen Weg durch den Verschlag voller schwitzender Nippel. Er blieb vor Odile stehen. Die da trug ein Nachthemd. Der Anblick des zarten Stoffs inmitten von Metern von Fleisch stürzte Martin in Verwirrung. Er legte Odile einen Finger auf die Hüfte. »Du kannst nicht verlieren, Mädchen. Komm nach der Vorstellung zu mir.«
    Odile machte Streckübungen und Beugen in ihrem Nachthemd, um zu verhindern, dass ihr die Arme und Beine einschliefen. Die Mädchen beobachteten Odiles Wendigkeit mit geschwollenen Gesichtern. Sie fingen an, ihre eigenen groben Körper zu verachten. Sie hatten Huppel auf den Hintern, die sich durch alles Strecken dieser Welt nicht glätten ließen. Vielleicht wären sie über Odile hergefallen, hätten ihr die Gaze von den Schultern gerissen und ihre Fingernägel zerbissen, wenn der Manager nicht gekommen wäre, um seine Mädchen zu holen.
    Er trieb sie aus dem Verschlag und sorgte dafür, dass sie halbwegs in einer Reihe blieben. Sie schlugen sich bei jedem Schritt die Knie an. Durch die Wände des Verschlages konnte man Zurufe und Gemurmel hören. Das Publikum war lebhaft. Die Mädchen konnten überhaupt nichts sehen. Zwischen Wänden aus Pappe taumelten sie im Dunkeln und konnten Stühle, Gänge oder einzelne Männer nicht erkennen.
    Martin führte die Mädchen in eine Vertiefung unter der Bühne, in der die Geiger und Trompeter heimisch waren. Verstärker und Trompetenkästen waren vor den Füßen der Mädchen gestapelt. Niemand konnte sich bücken, ohne gegen einen Verstärker zu stoßen. Die Mädchen mussten einander die Haare abschlecken oder lernen, auf neue Weise zu atmen. Martin zog sein Unterhemd aus. Mit einem mörderischen Grinsen puderte er sich den Nacken, seine kahle Stelle und die Augen und zog sich einen Smoking über die bloße Brust. Die Samtärmel hatten Falten. Eine Manschette fehlte. Martin grinste nach wie vor. Er zwängte sich durch die Mädchen, tastete sich ungeschickt durch Ellbogen, Frisuren und Mösen und kletterte auf schmalen, hinterhältigen Stufen aus der Grube. Wer auf der Treppe ausglitt, konnte den Wettbewerb abschreiben. Man wäre zwischen die Geiger gepurzelt und hätte sich den Kopf gebrochen.
    Martin stolzierte mit seinem Mikrofon in der Hand auf die Bühne, während Odile unten in der Grube brütete. Die Geiger kratzten auf ihren Instrumenten. Spucke aus den Trompeten flog Odile ins Auge. Die kleine Goie fing an zu schluchzen. Sie steckte zwischen den Mädchen, zwischen ihren Bäuchen und ihren runzligen Hintern eingepfercht. Sie konnte nicht einfach davonlaufen, zurück ins Dwarf.
    Die Mädchen bestiegen lächelnd die Stufen des Greenwich, eine nach der anderen. Niemand fiel hin. Martin rief dem Publikum ihre Namen zu. »Hier ist sie, die bezaubernde Monica, der Stolz von Kips Bay. Ganze vierundneunzig Pfund. Liebe Leute, was halten Sie von Monica?«
    Odile konnte die Ansichten des Publikums von der Vertiefung aus nur erraten. Sie hörte viele Buhrufe für Laura aus den Washington Heights, Tina aus der Hudson Street und Monica aus Kips Bay. Monica kam nicht mehr zurück. Versteckte Martin ein Mädchen nach dem Buhen und dem Stampfen von Füßen, das den Radau der Geiger schlucken konnte? Die Mädchen in der Tiefe stöhnten jetzt. Platzanweiser mussten sie die Stufen hinauf-7iehen, wenn ihre Namen aufgerufen wurden (in den Ruhepausen zwischen den einzelnen Mädchen wurde das Publikum unwillig) »Odile aus der Jane Street«, sagte Martin. Kein Platzanweiser musste sie auf die Bühne zerren. Auf der Treppe wurde ihr schwindlig. Sie sah auf die Schädel der Geiger. Sie stieg aus ihrem Nachthemd und kletterte weiter. Die Bühnenbeleuchtung gab ihrem Körper die Farbe von Rosinen. »Auch unter dem Namen Odette bekannt«, schrie Martin ins Mikrofon und zog seinen gepuderten Nacken tief in den Smoking zurück. Niemand zischte ihn an. Das Publikum gurrte für Odile. Sie brauchte nicht mit ihren Rundungen zu wackeln. Der natürliche Schwung ihres Busens in dem rosinenfarbigen Licht machte das Publikum benommen.
    Aus der ersten Reihe drang ein Wimmern. Taschentücher segelten von den Balkonen. »O mein Gott, o mein Gott, o mein Gott.«
    Martin kauerte hinter Odile. Er hielt sie an den Knöcheln fest. »Geh nicht weg, Mädchen. Das ganze Theater liebt dich.«
    Odile betete um ihre Erlösung. Ein ganzes Heer von Freundinnen aus dem Dwarf würde erforderlich sein, um sie aus dem

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