Das Isaac-Quartett
wählen. Er hockte nicht in seinem Büro im zwölften Stock des Polizeipräsidiums. Isaac nannte den neuen Ziegelsteinmonolithen »Sarghaus«. Er erledigte seinen Papierkram im alten, aufgegebenen Präsidium. Man musste ihn in der Centre Street suchen oder in irgendeiner dunklen Seitengasse. Die meiste Zeit war Isaac nicht zu erreichen. Aber seine Stellvertreter waren loyal. Sie führten sein Büro ohne jede Zwistigkeit. Isaac kriegte seine Nachrichten immer rein.
Johnny Rathgar, der PC, konnte ihn nicht rügen. Isaac war bei allen Nachrichtenagenturen der Held. Er konnte in eine Höhle durchgeknallter Rastafari gehen und mit einem ganzen Lager an Maschinengewehren wieder rausspazieren. Er legte Streitigkeiten rivalisierender Jugendbanden in der Bronx bei, wies den einen Territorien zu, knapste den anderen Stücke ab. Brandstifter und Kinderschänder ergaben sich nur dem First Deputy Sidel. Isaac kannte keine Furcht. Er tanzte mit jedem Irren, der ihm nahe genug kam. Man konnte mit Ziegelsteinen von Dächern nach ihm schmeißen. Isaac zog nicht mal den Kopf ein. Der First Dep war sehr gefragt. Die meisten Organisationen in der Stadt wollten ihn reden hören. Synagogen, Kirchen, politische Vereinigungen. Entweder um ihn zu piesacken oder um ihm zu applaudieren. Die Demokraten mussten vorläufig mit ihm leben, schließlich stand er Sammy Dunne nahe und es war noch ein wenig zu früh, »Hizzoner« aus der Gracie Mansion zu verjagen. Aber der Bürgermeister wurde bald siebzig und konnte die sich kabbelnde Partei nicht zusammenhalten. Wenn Sammy die City Hall räumte, würden die Demokraten auf Isaac eindreschen. Die Republikaner fürchteten sich vor Isaacs Popularität und die Liberalen konnten ihn nicht ausstehen. Für sie war er nur ein Bulle. Isaac verachtete sie alle, die Schreiberlinge und Polittrickser, die sich jedem Gewinner an den Hals schmissen und sich über den Machtverlust eines Bürgermeisters lustig machten. Er mochte den alten Bürgermeister, der von seiner eigenen Partei fallengelassen wurde. Er hatte bei den Vorwahlen keine Chancen. Er war zu dumm, zu schwach, zu alt. Die Daily News hatte bereits gesprochen. New York würde seine erste Bürgermeisterin bekommen, die ehrenwerte Rebecca Karp, die über das Schönheitsticket zur Politik gekommen war. Sie war die Miss Far Rockaway von 1947. Mit ihrem Busen, ihren festen Umarmungen und ihrem Lächeln ging sie auf Stimmenfang für die Demokraten. Sie war Bezirksvorsitzende in Greenwich Village gewesen. Nun war sie Parteichefin von Manhattan und der Bronx. Rebecca brauchte zwei Boroughs, um die Polittrickser von Brooklyn zu bekämpfen und New York aus der stotternden Maschine eines Samuel Dunne zu befreien.
Isaac war hier in der New School auf dem Territorium der Liberalen, um in einer Debatte mit Melvin Pears, dem Oberhäuptling der Civil Liberties Union und Fürsprecher von Rebecca Karp, den Kettenhund des Bürgermeisters zu mimen. Isaac hätte zu Rebecca sagen können, sie solle doch in ihren Hut scheißen, aber Bürgermeister Sam steckte in Schwierigkeiten. Er ging kaum noch in die City Hall. Seine Prozente bei den Umfragen bröckelten weg. Isaac war die einzige Stimme der Stärke, die er noch hatte.
Pears saß zusammen mit dem First Dep an einem Tisch am Ende des Saals. Der Bürgermeister schwor, Melvin versuche Becky Karp rumzukriegen, aber Isaac nahm Sam nicht alles ab. Melvin stammte aus einer aristokratischen Familie und er hatte eine hübsche Frau. Er war fünfunddreißig und mochte rustikale Kleidung: In der New School trug er Arbeitsstiefel und ein Cowboyhemd, an dem über dem Bauch ein Knopf offen stand. Der Bursche isst gern, bemerkte Isaac und dachte an den Wurm, den er zu füttern hatte. Neben Melvin saß seine Frau. Sie hatte unglaubliche graugrüne Augen, die Isaac mit großer Verachtung aussaugten. Sie trug keine Cowboyklamotten. Isaac fühlte sich unwohl neben Mels Stiefeln. Er hätte nicht in Argyle-Socken erscheinen sollen. Seine Pennerhose hätte ihm hier besser zu Gesicht gestanden.
Pears nannte Isaac einen Lakaien des Bürgermeisters, ein Instrument repressiver Gesetzgebung. Isaac, meinte er, vertreibe auf Wunsch des Bürgermeisters die Prostituierten von den Straßen, ohne auch nur an die Not oder die Geschichte dieser Mädchen zu denken. »Ich werde jede einzelne Prostituierte verteidigen, die Sie aus dem Verkehr ziehen«, sagte Pears. »Der ehrenwerte Bürgermeister fegt vor den Vorwahlen immer erst durch. Und Sie sind Sammys
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