Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Isaac-Quartett

Das Isaac-Quartett

Titel: Das Isaac-Quartett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jerome Charyn
Vom Netzwerk:
Molly Byrnes und ihre Zitronenzöpfe. Isaac war ein Barbar aus Manhattan und der Bronx. Er hatte keine Ahnung, dass es eine solche Sprachmusik überhaupt gab. Er folgte Marshall überallhin, bettelte ihn an ihm diese Seite zu erklären oder jene. Isaac lief mit Fieberaugen über den Campus. Das konnte nicht gutgehen. Isaacs Vater verließ die Familie zur Weihnachtszeit, verschwand im besten Mannesalter nach Paris, um sich das Malen beizubringen, ein Pelzhändler mit der fixen Idee, der neue Matisse zu werden. Isaac musste die Uni schmeißen und die Familie ernähren.
    Danach las er keinen Joyce mehr. Er heiratete eine Irin, die mit Immobilien handelte und vier Jahre älter war als er. Er wurde Cop. Kathleen war es, die ihn mit dem First Deputy Commissioner O’Roarke bekannt machte, Kathleen, die ihn mit all den irischen Rabbis zusammenbrachte, die die New Yorker Polizei leiteten. Ihr Irentum machte ihn zu einem großen Polizisten. Und nun standen Marshall und seine Frau vor ihm und beide hatten ihn an seinem ersten Tag in Dublin enttarnt.
    »Isaac«, meinte der Dekan. »Um Himmels willen. Was macht denn ein Commissioner wie Sie hier?«
    Isaac hatte eine »Übereinkunft« mit Marshall Berkowitz. Von Zeit zu Zeit schlug er junge Burschen fürs Columbia College vor, die Söhne oder Neffen von Cops. Isaac führte ein Gespräch mit ihnen und teilte Marshall seinen Eindruck mit. Er hatte ein Gespür dafür, wer es an der Columbia schaffen könnte und wer nicht. Marshall hielt sich stets an Isaacs Rat.
    »Isaac, wie zum Teufel geht’s Ihnen?«
    Der First Dep musste ihm in der Lounge des Shelbourne über den Mund fahren. »Marsh, ich bin im Rahmen einer Ermittlung hier bitte … Sie müssen mich Moses nennen.«
    Die Frau des Dekans lachte. Sie schüttelte sich die Locken aus dem Gesicht. Sie hatte schwarze Ringe um die Augen. Sylvia Berkowitz schlief wohl nicht allzu viel.
    »Verdammich«, meinte Marshall. »Moses, begleiten Sie uns. Ihren Polizeikram erledigen Sie später.«
    »Wohin denn?«
    Berkowitz lächelte. »In die Eccles Road Nummer sieben.«
    Selbst dreißig Jahre konnten Ulysses nicht ausradieren. Isaac kannte dieses Buch. 7 Eccles Street, dort hatte Joyce seinen Leopold Bloom zurückgelassen.
    »Moses, die Iren sind ein jämmerliches Volk. Eine Sehenswürdigkeit, ein unnachahmlicher literarischer Besitz und sie lassen es verkommen. Das Haus ist eine Ruine … aber noch steht es.«
    Also lieh sich Isaac vom Dekan einen Pullover und sie wanderten durch die Stadt. Moses hatte Jetlag. Er konnte sich nicht an Gebäude, Denkmäler und Geschäfte erinnern, außer an einen McDonald’s. Trinity College war nur eine alte Steinmauer entlang der Straße. Sie überquerten die Liffey über die O’Connell Bridge. Joyce konnte seinen Fluss und die Kais behalten. Isaac fand, der Fluss stank. Dann waren sie auf der O’Connell Street und vor dem Gresham Hotel. »Das Gresham ist vor die Hunde gekommen«, meinte Marshall. »Als wir das letzte Mal zum Tee dort waren, haben sie uns ausgenommen.«
    Dieses Gebrabbel ergab für Isaac überhaupt keinen Sinn. Die Ohren froren ihm weg, aber er hatte nicht vor, sich im August einen Hut zu kaufen. Es ging links um die Ecke, eine andere, schmalere Straße hinauf, eine graue Häuserzeile. Dann rechts herum, wieder eine Hauptstraße mit kaputten Firmenschildern und Pubs mit blauen Wänden, von denen die Farbe abblätterte.
    Noch einmal linksrum und sie waren in der Eccles Street, in einer geschundenen Ecke der Stadt, viel weniger Dublin als Stephens Green. Marshall nahm ihn an der Hand und führte ihn zu Blooms Haus. Das Dach war verschwunden. Die Fenster waren zugenagelt. Unkraut wucherte in den Ritzen. Die Haustür war herausgerissen und durch Blechstreifen ersetzt worden. Die Kellerfenster waren mit zähen, krummen Blumen überwachsen, die zu stinken begonnen hatten. Die Stufen waren fast alle zerborsten. Marshall schwankte vor Blooms verwüstetem Haus. Er war ein bulliger Mann mit Stiernacken. Der Dekan brach beinahe in Tränen aus. Isaac vernahm ein trockenes, schluchzendes Geräusch.
    »Poldy«, sagte er. »Poldy Bloom … Gott schütze uns vor den Iren und vor uns selbst. Wir verdienen James Joyce nicht.«
    Von ihm aus konnten die Iren Dublin in Schutt und Asche legen, Isaac war das völlig egal, Hauptsache, sie verschonten Dermott Bride. Die Eccles Street sah aus wie ein Stück Bronx. Ausgebombte Grundstücke und ein paar Pubs. Marshall riss sich zusammen. Er wollte Moses zu einer

Weitere Kostenlose Bücher