Das Isaac-Quartett
Zügellosigkeit aus ihren kräftigen, schamlosen Waden. Sie würde sich einen arabischen Tubaspieler suchen, nur um sie zu ärgern, und dann müssten sie einen Stall voller kleiner Ishmaels durchfüttern. Sie irrten sich. Sylvia musste nicht überredet werden. Marshall umgarnte sie mit Stadtplänen von Dublin und Zitaten aus einer Kosmologie, die er im Kopf parat hatte. Dublin war eine neblige Stadt, die ganz James Joyce entsprungen Dieser Menschgott konnte Flüsse und Straßen erschaffen. Die Liffey und die Fumbally Lane. Sylvia glaubte an ihn.
Sie heirateten unter einem Baldachin in der Kapelle eines Speisesaals in Yonkers. Ein Kantor sang die Vermählungsgebete. Marshall trug den Kittel, einen weißen Hochzeitsumhang. Sylvia trank unter ihrem Schleier. Sie musste den Bräutigam siebenmal umkreisen, um zu zeigen, dass er der Mittelpunkt ihres Universums war. Der Rabbi verlas die Gebote. Sylvia nahm den Schleier ab. Marshall zertrat ein Weinglas. Sie küssten sich. Die Familie bewarf sie mit Weizenkörnern und Stroh. Dann wurden sie in ein Privatzimmer geführt. Aber Sylvia hatte ihre Periode. Es war ihnen nicht erlaubt sich zu lieben.
Das war ihre Geschichte mit Marsh. Menstruationsblut und Leopold Bloom. Vier Jahre lang. Reisen nach Dublin, die Pilgerfahrten glichen. Außerhalb seiner Bücher besaß Marshall nur wenig Energie. Er hegte eine Leidenschaft für Molly Bloom. Kopulieren tat er wie ein kleines Baby. Spuckebläschen bildeten sich vor seinem Mund. Er grunzte nach einer Minute, zog den Bauch ein und schlief.
Sie konnte sich nicht bei den Mandels beklagen. Hatte sie Marsh denn nicht siebenmal umkreist? Sie würden nichts auf das Gejammer einer Ehefrau geben. Himmel, sollte sie vielleicht sagen, Marshall, Marshall, warum knabberst du nicht an meinen Titten? Sie musste sich Liebeskrümel holen, wo sie nur konnte. Von Marshalls Kollegen. Von einem einsamen Bildhauer auf einem Beethoven-Festival. Von dem Mann im Schreibwarenladen. Und von Isaac.
Sie war niemandem verpflichtet, dem Bildhauer nicht, dem Schreibwarenhändler nicht, dem Bullen nicht. Aber sie mochte diesen Moses. Etwas hatte alles Fett aus ihm genagt. Moses hatte mehr Charakter als all ihre anderen Männer. Isaac Sidel verfügte über Spuren von Ritterlichkeit. Er linste den Frauen nicht unter die Wäsche wie Leopold Bloom. Er paradierte nicht mit offener Hose durch die nächtliche Stadt an der Liffey. Er war die Art von Mann, der Dermott Bride dafür umbrachte, eine Nutte in New York schlecht behandelt zu haben. Er flennte nicht wegen eines toten Hauses auf der Eccles Street, wackelte auch nicht mit seinem fetten Hintern. Moses hatte eine Aufgabe. Er war nicht besser als Marsh, wenn es darum ging, an ihrem Busen zu knabbern. Seine Orgasmen schienen aus ihm herauszugrollen wie ein Brocken trockener Kotze. Aber sie verzieh ihm, dass er als Mann auf Freiersfüßen nur ein jämmerliches Bild abgab. Moses holte sich seine nächtliche Stadt aus keinem Buch. Er war in eine Nutte von der Dreiundvierzigsten verliebt.
Also wanderte sie mit einem Regenmantel über den Schultern durchs Shelbourne. Der Zimmerservice trug Tabletts mit Milchkaffee und Toast hinauf. Iren standen gern um sechs auf. »Möchte Madame ihr Frühstück ans Bett?«
»Danke, nein.«
Sie hätte sonst den Dekan geweckt, wenn sie sich Marmelade auf den Toast geschmiert hätte. Sie schlich sich in Marshs Zimmer und ließ den Mantel zu Boden gleiten. Marsh umklammerte die Bettdecke mit den Fäusten. Das war der Mann, der zu ihrer Hochzeit einen Umhang getragen, ein Glas zertreten hatte. Sie löste ihm eine Faust, indem sie sanft an seinen Fingern zog, glitt unter die Decke, schloss die Faust wieder und umschlang seine Taille, ihren Poldy, ihren Leopold, ihren Bloohoohoom.
13
Isaac streifte ziellos durch Dublin. Er hatte nichts zu tun. Er konnte Dermott nicht von seinen Vasallen isolieren. Den König zu erledigen, war zur reinen Obsession geworden. Der kleine Dermott war in Dublin sicher. Aber Isaac wollte nicht heimfliegen. Seine Studenten am John Jay College mussten eine Weile ohne seine Vorlesungen auskommen. Er folgte Dermotts engen Routen, um sich selbst in die Gedanken des Königs zu versetzen. Also aß er eine Stunde, bevor Dermott erwartet wurde, im Red Ruby auf der Merrion Row. Isaac bestellte Lo Mein, eine Frühlingsrolle und chinesische Hühnersuppe. Er stellte sich Dermott vor, wie er an seinem Tisch saß, Stäbchen und scharfer Senf, und seine Vasallen aßen mit Gabeln.
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