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Das Isaac-Quartett

Das Isaac-Quartett

Titel: Das Isaac-Quartett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jerome Charyn
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nicht, Zuneigung für einen Bullen zu zeigen. Er konnte Coen ohne üble Folgen küssen. Der Süßwarenladen unterstand allein Papa. Er war der König; mit einem Finger in der Schokoladensauce wachte er über seine Bereiche. Jeder einzelne Anwerber, Einkassierer und Löhner musste sich im Laden melden. Papas drei mittlere Söhne, Alejandro, Jorge und Topal, trieben sein Geld ein, wenn sie nicht gerade Drinks mixten oder Eier brieten. Seine anderen Geldeintreiber waren Cousins aus Südamerika, pensionierte Juden, rausgeschmissene Bullen wie Isaac oder Portorriqueños, die Papa ihren Lebensunterhalt schuldig waren. Jeder, der sich unabhängig machte und mit den Tageseinnahmen durchbrannte, hatte vierundzwanzig Stunden Zeit, es sich anders zu überlegen; nach dieser Gnadenfrist war er reif für Papas Schuttabladeplatz bei Loch Sheldrake, New York. Derjenige, der das verkommene Subjekt nach Loch Sheldrake begleitete, pflegte zu sagen: »Moses, ich arbeite für Moses.« In geschäftlichen Angelegenheiten bestand Papa darauf, dass dieser Deckname benutzt wurde.
    »Papa, wo ist Jerónimo?«
    »Ach, dieser Trottel; er ist einen Stadtteil weitergezogen, um bei seinem Bruder zu sein. Ohne César bringt er keinen Marshmallow runter. Ich bin nur sein blöder Vater. Dreiundvierzig Jahre lang habe ich ihn gebadet. Erinnerst du dich daran, wie Jerónimo mit fünfzehn grau geworden ist, Manfred? Schwachsinnige machen sich mehr Sorgen als wir. Ihre Arterien trocknen schneller aus. Sie leben nicht allzu lang. Wenn du mich fragst, ist er gescheiter als Jorge. Jerónimo zählt mit seinen Knöcheln, aber er kann bis fünfunddreißig zählen. Jorge bringt es fehlerlos nicht über zehn. Es sind gute Jungen, ganz Schwanz und kein Gehirn. Soll ich den ganzen Tag lang Schokoladensauce machen und dabei Jerónimo vergessen? César wird ihn nicht zurückbringen.«
    »Soll ich ihn dir wiederholen, Papa? Sag mir, wo César ist. Ich muss ihn ohnehin sprechen.«
    »Dieser Junge hat mindestens zehn Adressen. Jetzt sag mir, wer hier der Geistesgestörte ist. Er ist ein Baby, Manfred. Er musste fliehen. In Manhattan werden sie ihn zum Krüppel machen.«
    »Wie hat Jerónimo ihn gefunden, Papa?«
    »Mit der Nase. Wenn man unter Süßigkeiten lebt, entwickelt sich der Geruchssinn. Was bedeuten Stadtteile? Schweiß kann man über einen Fluss riechen.«
    »Was ist mit Isaac? Wo ist Isaac?«
    Papa blickte starr auf die Bananensplits. »Welcher? Isaac Bi Nose? Oder Isaac Pacheco?«
    »Mein Isaac«, sagte Coen. »Der Chef.«
    »Der?« Coen sah den Zorn in Papas gelben Zähnen. Er wird seine Familie mit Hingabe verfluchen, dachte Coen; aber keine Bullen und keine Fremden. »Ich lasse Isaac die Knochen übrig. Er frisst meinen Abfall.«
    »Papa, seit wann bist du so empfindlich, wenn es um einen hochgegangenen Bullen geht? Du hast pensionierte Kriminalbeamte unter deinen Leuten, du hältst dir alte Streifenbullen warm. Isaac ist der klügste Kopf aller fünf Reviere. Du solltest ihn benutzen, Papa.«
    »Er ist so klug, dass er sich mit einem Adressenverzeichnis von den Spielern erwischen lässt.«
    »Jemand hat ihn verpfiffen. Ich weiß nicht, wer. Isaac redet nicht mehr mit mir.«
    »Ich sage dir, dass er ein Schuft und Gauner ist. Ich habe ihn nur genommen, weil ich mich schämen würde, wenn noch ein Jude in der Boston Road verhungert. Die Stadt hat wohltätige Einrichtungen. Ich auch. Niemand kann mir sagen, dass Moses Unterstützung verweigert. Wie geht es deinem Onkel, Manfred?«
    »Er sieht gut aus, Papa. Er denkt nur zu viel an meinen Vater.«
    »Ich will ihn besuchen. Mir ist nicht wohl, wenn ich nicht im Laden bin. Aber ich bin es Sheb schuldig. Er war nett zu Jerónimo. Du erinnerst dich bestimmt, wie dein Onkel Eier anmalen konnte. Er und César – das waren die beiden einzigen, die Jerónimo von Schokolade und Halva ablenken konnten.«
    Die Mädchen kreischten nach Papa; sie wollten einen Nachschlag. Papa zischte: »Ruhe. Ihr seid der Gnade des Hauses ausgeliefert. Gratisnachschub gibt es nur, wenn Papa Lust hat.« Er bat Coen, länger zu bleiben.
    »Geht nicht«, würgte Coen; allmählich setzten ihm die Gerüche von der Theke zu. Papa konnte die Malzmarke und die Sirupsorten in den letzten fünfunddreißig Jahren nicht gewechselt haben; die Süße wurde Coen zum Verhängnis. Er sah Jerónimo grau werden. Zäher Sirup zog ihm die Kehle zusammen. Haus, Haus, ist Moses im Haus? Wenn César Brezeln stehlen konnte, konnte Coen es auch. In den zwanzig

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