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Das Isaac-Quartett

Das Isaac-Quartett

Titel: Das Isaac-Quartett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jerome Charyn
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groß, konnte mit dem Gesicht an Odiles Brust tanzen. Sweeney, ein schmächtigeres Mädchen, war die Partnerin und Cousine der Rausschmeißerin; sie versuchte, Janice von ihrem Standpunkt abzubringen. »Schwester, übertreibst du nicht ein bisschen? Such dir jemand anders. Wie kommt es, dass Lenore im Vorderzimmer küssen kann und Dorotea nicht?«
    »Lenore tanzt nicht mit Odile, daher kommt das. Auf Odile fliegen die Schwestern wie Bienen auf ein Honigglas. Wenn ich im Dienst bin, dulde ich das nicht.«
    »In Wahrheit bist du nur eifersüchtig. Du willst, dass Odile an einem Platz sitzt, an dem du sie die ganze Zeit beobachten kannst.«
    »Halts Maul, Schwester.«
    Sweeney musste nachgeben; ihre Cousine besaß die größten Schlagringe von ganz New York. Sie konnte es sich nicht leisten, sich gegen Janice zu stellen, ohne ihre Stellung im Dwarf zu gefährden. Jedenfalls hatte sie Neuigkeiten für Odile.
    »Draußen steht ein Mann, der zu dir will, Schätzchen. Ein Zuhälter mit einem komischen Schuh. Ich könnte schwören, dass es der Chinese ist, der die Mädchen belästigt, aber irgendwas ist heute anders an ihm.«
    »Scheiße«, sagte Odile. »Scheiße.« Zur Beschreibung des Chinesen hätte sie üblere Beschimpfungen benutzen mögen, aber Janice hatte das Fluchen im Vorderzimmer verboten. Dennoch löste sie sich von Dorotea, um durch einen Schlitz in der Gardine einen Blick auf den Chinesen zu werfen. Wenn Janice heute nicht so sauer gewesen wäre, hätte sie lauthals gelacht. Der Chinese trug am linken Fuß einen riesigen Schuh, einen gebogenen kaffeefarbenen Schuh, einen Schuh mit einem Buckel an der Ferse und der dicksten Sohle, die sie je gesehen hatte; das Leder hatte beiderseits Falten, hässliche braune Schnürsenkel mit Plastiknoppen, die angeknabbert wirkten, und der Schuh reichte dem Chinesen bis halb auf die Wade, wo er sich in die Hose einschnitt und den Hosenaufschlag ruinierte. Außerdem hatte er struppige Haare in den Augen. Er wiegte sich auf den Hüften und drehte auf seinem flacheren, ebeneren Schuh eine Pirouette. Odile ging zur Tür rüber, zumindest nah genug zu Sweeney, und zischte dem Chinesen Warnungen zu.
    »Chinese, wenn du mich noch einmal beklaust, noch einmal durch mein Fenster steigst, noch einmal mit meinen Strumpfhaltern und meiner Filmwäsche spielst und meine Sandwiches anrührst, brauchst du einen maßgefertigten Schuh für deinen anderen Fuß.«
    Der Chinese blieb abrupt stehen; er hatte gehofft, Odile mit den verzwickten Drehungen zu verzücken, die er mit Arnolds Stiefel als Steuerruder ausführen konnte.
    »Ich dachte, es würde dir gefallen. Ich habe ihn deinetwegen gestohlen. Er gehört einem puerto-ricanischen Polizeispitzel.« Odile war gerührt, als der Chinese den Kopf hängen ließ, gerührt von seiner mutlosen Haltung, aber sie wollte nicht rauskommen, und als der Chinese auf sie zuhumpelte, versteckte sie sich hinter Janice und Sweeney. »Komm nicht näher«, sagte sie.
    Der Chinese sah, wie Janice die Schlagringe aus der Tasche ihres zweireihigen Jacketts holte. Sweeney lächelte zu unecht. Sie gurrte dem Chinesen ins Ohr: »Treten Sie nur über den Türvorleger, Mr. Reyes. Die Schwelle ist nicht hoch. Komm rein, Schlitzauge, meine Cousine hält die Vorspeise schon bereit.« Der Chinese wollte mit niemandem außer Odile reden. »Wir müssen etwas Geschäftliches besprechen, Odette. Kunden, Mr. Bummy Gilman. Und noch ein paar Typen.«
    »Dann ruf meinen Anrufbeantworter an«, sagte Odile und linste um Sweeneys wattierte Schultern. »Hinterlass die Namen und die Termine beim Telefondienst. Und vergiss nicht, einen anständigen Preis zu nennen. Für weniger als fünfundsiebzig mach ich’s mit diesen Arschlöchern nicht.«
    »Zorro wird diese plötzliche Ziererei nicht mögen. Seit wann handelst du deine eigenen Sätze aus?«
    »Das wird Zorro wohl wissen, und du kannst ja mal raten. Was zwischen mir und César ist, geht keinen Chinesen was an.«
    Dorotea, Nicole und Mauricette, Odiles drei ausdauerndste Tanzpartnerinnen, traten in die Tür, um sich mit hämischer Freude an dem Schauspiel eines Chinesen in einem hohen Klumpschuh zu weiden. Janice stieß sie zurück. Dorotea hielt Odile bei der Hand und führte sie zur Tanzfläche, eineinhalb Meter auf eineinhalb Meter morsche Dielen zwischen der Jukebox und der Bar. Janice hatte die Musik unter Kontrolle; die Mädchen mussten auf Peggy Lee und Rosemary Clooney tanzen oder sich ins Hinterzimmer zurückziehen, in dem

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