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Das Isaac-Quartett

Das Isaac-Quartett

Titel: Das Isaac-Quartett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jerome Charyn
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wenn er es wagen sollte.«
    Aber sie konnte ihrem Mann nicht ungehorsam sein. Annie kicherte nicht wieder. Sie liefen und liefen durch eine Art braunes Gestrüpp und ihr Rock verfing sich in all den niedrigen, kahlen Blaubeerbüschen. Es ist die falsche Jahreszeit für Beeren, murmelte Annie vor sich hin. Sie konnte kaum erwarten zu sehen, was in dem Korb war. »Liebster, ist das ein Picknick oder ein Wandertag?«
    »Beides. Weiter.«
    Es wäre ihr lieber gewesen, Jamey hätte sie im Auto chauffiert. Aber konnte man denn über Felsen und Weiden fahren? Kühe blinzelten sie an. Und Annie fiel die tote Kuh auf der Straße ein. Ein Bulle starrte Dermott wütend an. Das Gemächt des Tieres baumelte fast bis auf den Boden. Dermott machte keinen Knicks vor einem Bullen. Er ließ den Korb nicht los. »Komm weiter.«
    Er musste sie meilenweit mitgeschleift haben. Sie erreichten einen Drahtzaun und Dermott hielt die Drähte auseinander, damit sie sich hindurchzwängen konnte. Er reichte ihr kurz den Korb und sprang über den Zaun. Sie standen am Fuße eines Hügels. Davon war Annie fest überzeugt. Sie konnte das kalte, flaschengrüne Wasser einer winzigen Bucht erkennen. »Sind wir noch auf dem Land des Fischers?«, fragte sie.
    »Nein. Komm weiter. Wir werden auf Cashel Hill picknicken.«
    Man konnte nicht erkennen, wie viele Kämme ein Berg hatte. Sie kamen an einem Kamm an, nur um festzustellen, dass sie dem
    Gipfel keinen Deut näher gekommen waren. Immer gab es noch einen weiteren Kamm. Das Ganze war wie ein verzaubertes Spiel. Die Elfen gewannen. Aber man musste aufpassen, wo man hintrat. Cashel Hill war mit Ziegenkot übersät. Diese harten kleinen Kügelchen lagen auf jedem einzelnen Fels. Eine Million Schafe oder Ziegenböcke mussten auf Cashel Hill geschissen haben.
    O Gott, Annies Rock ging langsam aus dem Leim. Aber auf keinen Fall würde sie ihren Mann allein weiterklettern lassen. Und immer, immer wieder ließ sie sich reinlegen, der nächste Kamm sei der letzte, der allerletzte. Die kräftigen Lungen hatte sie von ihrer Mama geerbt. Sie war die Rose von Connemara, die Königin von Cashel Hill und floh mit ihrem Mann aus dem Haus des Fischers. Dermott hatte sie nur bei der Hand genommen, nicht mehr. Aber man konnte sich ja nicht einfach in die Ziegenscheiße legen.
    Ihre Oberschenkel rieben sich langsam wund. Es war ihr egal, wie viele Grate eine Klippe hatte. Immer noch besser, als ewig Bananen mit Sahne zu mampfen. Wenn es sein musste, würde sie hinter ihrem Mann herkriechen. Die Luft auf dem Berg wurde dick, dick und purpurgrau, zeitweise verlor sie Teile von Dermotts Rücken und Schultern aus den Augen und sie hatte auch keinen Pfad, dem sie folgen konnte. »Was ist das?«, knurrte sie in das rote Zeug hinein, das dick genug war, um es zu essen.
    »Nebel«, meinte Dermott. »Denk nicht weiter drüber nach, Annie. Man kann jedem Nebel davonlaufen, wenn man nur schnell genug ist.«
    Annie rief ihren Lieblingsheiligen an, sie aus dem Nebel zu führen. Der heilige Judas, Beschützer der Reisenden, Idioten, unverheirateten Mädchen und Verzweifelten. Was für einen Mann Judas ihr geschenkt hatte! Dermott, König von Dublin und der Bronx. Mit Judas’ Hilfe stiegen sie über den Nebel hinaus. Der Berg hatte keine weiteren Gesichter mehr, mit denen er sie ärgern konnte. Sollten die Elfen sie doch verhöhnen. Der König hatte sie auf den Gipfel von Cashel Hill gebracht. Sie dachte nicht an die Klippen, die bis zum Meer abfielen, auch nicht an die sich dahinwindenden Steinmauern, die Felder oder an die Flecken Wasser, bei denen es sich durchaus um einen Lachssee handeln könnte. Ihr Magen knurrte jämmerlich. »Gibst du einem Mädchen bitte was zu beißen, um Himmels willen?«
    Dermott kauerte sich auf einen Felsen, der einigermaßen frei von Ziegenscheiße war, und öffnete die Lederriemen des Korbes. Sie aßen weichen, roten Käse und dunkles Brot und tranken Kaffee aus einem großen Becher. Milch hatte er in einer Mineralwasserflasche mitgenommen. Gott sei Dank hatte er vergessen, Bananen einzupacken, denn dann hätte sie wahrscheinlich gekotzt. Sie hatten Orangen, eine etwas unansehnliche gelbe Birne, einzeln verpackte Kekse und irischen Früchtekuchen. Annie suchte nach Servietten und Gabeln aus Castledermott. Der Korb war leer. Dermott hatte den Korb wie jeder Mann gepackt. Er hatte nur mitgenommen, was ihm in den Sinn gekommen war. »Und wie teilen wir jetzt den Käse, Liebster?«
    Dermott griff in die

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