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Das Isaac-Quartett

Das Isaac-Quartett

Titel: Das Isaac-Quartett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jerome Charyn
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Aber der starrte ihn nur aus seinem sommersprossigen Gesicht an. Jamey schleuderte das Geld zu Boden. Dann fuhr er davon und ließ Bauern und Kuh stehen. Er war in Rage. »Habt ihr die Delle im Kotflügel gesehen? Ein Glück, dass wir noch kriechen können.«
    Annie wartete darauf, dass ihr Mann dem Esel eine Ohrfeige verpasste. Eine Kuh zu töten und dann Geld anzubieten und kein Wort des echten Bedauerns. Aber Dermott schimpfte nicht.
    »Lasst mich aussteigen«, sagte sie.
    »Wie bitte, Annie?«
    »Sie haben mich gehört, Mr. O’Toole. Anhalten. Ich fahre nicht mit Kuhkillern.«
    O’Toole hämmerte mit einem Fingerknöchel aufs Armaturenbrett; die Polster, auf denen Annie saß, bebten unter dem Schlag.
    »Himmel, was für ein feiner Tag, wenn die eigene Familie gegen einen ist. Dermott, meinst du, sie wird uns verpfeifen? … Annie, hab ich nicht zweihundert Piepen für diese alte Kuh hingelegt? Das war ein wertloses Tier. Blöd im Kopf. Eine Kuh, die mitten auf der Straße steht und einem den Weg versperrt! … Dermott, sag ihr, sie soll uns verzeihen. In der nächsten Kirche bestellen wir einen Gedenkgottesdienst für das Tier. Wir bezahlen auch für den Kirchenchor und alles … Ich möchte doch Annie Powell nicht enttäuschen.«
    Annie verhärtete ihr Herz gegen den Esel und ihren Mann. »Reiß du nur deine Witze«, sagte sie. »Beleidige eine arme Kuh, die keine Seele besitzt und sich nicht gegen ihre Mörder verteidigen kann. Jedenfalls werde ich nicht mit dir weiterfahren.«
    Jamey hämmerte wieder aufs Armaturenbrett. Dermott fand das nicht lustig. »Lass sie raus«, sagte er. Sie ließen Annie auf der Straße nach Screeb und Maam Cross stehen. Sie hatte ihren Koffer. Sie würde nach Galway zurückgehen und auf dem kleinen Platz schlafen, das würde sie. Sie würde es dem Esel und dem König schon zeigen. Annie Powell konnte ohne ihren Mann klarkommen. Sie hatte ein wenig irisches Silbergeld in der Tasche, Münzen mit einem Bullen auf der einen und einer Harfe auf der anderen Seite. Die würde sie in Galway ausgeben, würde von Kaffee und Gebäck leben und von den zitronigen Biskuits, die sie so mochte. Vielleicht würde sie tatsächlich eine Messe für die Kuh lesen lassen. Sie würde die Priester in Galway fragen, ob so etwas möglich war …
    Annie brütete und brütete vor sich hin, aber sie war noch keinen einzigen Schritt vorangekommen. Und schon vermisste sie den König. Warum hatte ihr Mann sie aus dem Wagen geschmissen. Sie hätte auf ihre Mama hören und in Sunnyside bleiben sollen. Klar, sie konnte die Augen schließen und sich einreden, dass ihr Mann in Immobilien machte. Aber wie viele Makler würden fünftausend Dollar dafür bezahlen, ein Mädchen nach Dublin mitnehmen zu dürfen? Dermott Bride war ein Gauner. Seine Männer legten gern Kühe um. Und hier war sie nun, eine Gangsterbraut.
    Es mochte eine Stunde später sein, als sich der Staub wieder von der Straße hob. Sie bemerkte braunes Fell und klebriges Blut in der riesigen Beule an Jameys Kotflügel. Sie war froh, dass die Kuh die Limousine mit ihrem Tod gebrandmarkt hatte. Aber das sagte sie nicht. Als der Wagenschlag aufging, kletterte sie auf Dermotts Schoß. Sie ringelte sich um seinen Hals. Allein hätte sie es nie nach Galway geschafft.
     
    »Wach auf, Annie. Sei ein gutes Mädchen.«
    Jamey hatte seine Hand auf ihre Schulter gelegt. Unter ihren Beinen lag eine Decke. Ihr Mann saß nicht neben ihr und ihre Knöchel waren kalt. »Wo sind wir, Jamey O’Toole?«
    »Bist du blind?«, sagte er. »Schau dich um, Annie. Das ist Castledermott.«
    Sie steckte den Kopf aus dem Wagen. Heilige Maria Mutter Gottes, man konnte seinen Augen nicht trauen! Sie standen vor einer alten, grauen Burg an einem gelben See. Genau die richtige Burg für Dermott und diesen Mann. Ein Teil der Steine war schon zerfressen. Die Zinnen zerfielen. Das Dach von Castledermott war von zweifelhaftem Charakter. Bei etwas stärkerem Wind konnten einem Steine auf den Kopf fallen. In den Mauern gab es große Einbuchtungen, tiefe Taschen, in denen sich Annie liebend gern versteckt hätte. Einige der Fenster waren mit Pappe vernagelt. Aber die Burg besaß eine stabile Tür. Eiche, vermutete Annie, auch wenn sie nicht viel Ahnung von Holz hatte. Das war jedenfalls keine Tür der Art, die Jamey sich hätte auf die Schulter wuchten können, berühmt, wie er dafür war, Türen aus der Wand zu reißen, sie aus den Angeln zu heben oder das Mittelpaneel mit der Faust

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