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Das Isaac-Quartett

Das Isaac-Quartett

Titel: Das Isaac-Quartett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jerome Charyn
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Tasche. Er hatte ein Schnappmesser mit zauberhaften Furchen im Griff dabei. Die Klinge fuhr schmatzend wie Lippen heraus. Er teilte die bucklige Birne und den Käse, dann fuhr er mit der Klinge über die Kante des Korbes.
    »Ein Messer muss in Übung bleiben«, sagte er. »Sonst verfault es wie ein Zahn und fällt einem in der Hand auseinander. Hab’s schon mit eigenen Augen gesehen.«
    »Von wem hast du das Messer?«
    »Von niemandem. Ich hab’s aus einem Bastlerladen auf der Tremont Avenue. Ist schon lange her.«
    Es machte Annie nervös, wie liebevoll er das Messer umklammerte. »Und warum hast du’s mir noch nie gezeigt?«
    »Weil es gern in meiner Hosentasche bleibt«, entgegnete er, und plötzlich war sein Mund voller Zähne.
    Annie rülpste, aber das störte den König nicht. Sein Kopf steckte in ihrer Bluse. Die hatte er bis zur Taille aufgeknöpft und nuckelte nun an ihrer Brust. Ihr Mann war anders als alle anderen auf der Welt. Bald schon war er unter ihrem Rock, und Annie dachte, sie müsse sterben. Ihr Schlüpfer war nass vom König. Sie würde jeden Tag ihres Lebens picknicken gehen, in zerrissenen Röcken herumklettern, Birnen mit Warzen und Buckeln essen und Käse vom Messer, wenn ihr Mann es wollte.
    Inmitten des Ziegenkots schliefen sie auf dem Berg ein, und Annie lag zum Großteil unter Dermotts Schulter. Dann schlug sie die Augen auf. »Wie konnte es nur so schnell dunkel werden?«
    Man konnte nicht mal mehr seine Fingernägel erkennen. Es war die schlimmste Finsternis, die sie je erlebt hatte. Die Elfen mussten Cashel Hill überdacht haben. Zum Glück hörte sie ihren Mann atmen und tastete nach seiner Brust. Die Finger unter seinem Hemd weckten ihn.
    »Dermott, auf diesem Berg gibt es eine Hexe. Wir müssen zwanzig Stunden geschlafen haben.«
    »Wir haben nur ganz kurz geschlafen. Der Nebel hat uns überrascht. Und das Mistzeug will sich nicht heben. Wir werden hierbleiben und warten müssen.«
    »Worauf?«, wollte sie wissen.
    »Dass uns jemand findet.«
    »Und wer soll uns auf Cashel Hill finden?«
    »Bauern«, meinte Dermott. »Sie müssen ja nach ihren Herden sehen. Sie werden schon über uns stolpern.«
    »Nicht, wenn du ihre Kühe umbringst«, meinte Annie. »Dann lassen sie uns hier oben verrotten. So nehmen die Bauern Rache an dir.«
    Dermott lachte im Nebel, und das machte Annie Angst. Weil es keinen dazu passenden Mund, keine Lippen gab. »Annie, wie hast du dir denn so eine Bauernverschwörung zusammenfantasiert? Mach dir keine Sorgen. Der Fischer wird das nicht zulassen. Ich bin viel zu wichtig für ihn.«
    Das beruhigte Annie Powell nicht im Geringsten. Sie betete zu Judas, er möge helfen und diesen Nebel von Cashel Hill abziehen. Der König hörte sie murmeln. »Was ist das für ein Geräusch?«
    »Ich bete«, sagte Annie.
    »Ich dachte schon, es wäre eine tote Kuh, die uns anmuht.«
    Annie fing an zu weinen. Ihr Heiliger half nicht. Dermott machte sich über Tote lustig. Ihre Leichen würden verschrumpeln und im Berg versinken. Kein Dermott mehr. Keine Annie mehr. Der Himmel musste das Oberste zuunterst gekehrt haben. Sie konnte in der Entfernung zwölf Monde schweben sehen, unter ihren Füßen. Auch Dermott sah sie. Er war nicht überrascht. »Da ist ja schon unsere Rettungsmannschaft.«
    Die Monde schienen näherzukommen und wieder zu verschwinden. Sie verwandelten sich in glühende Fackeln. Das sind nur Laternen, sagte sich Annie. Kein Mond konnte sich in eine brennende Fackel verwandeln. Das sind Coote und seine alten Männer mit einem Haufen Laternen. Jetzt betete sie darum, dass der Fischer sie nicht auf dem Cashel Hill fand. Lieber blieb sie mit Dermott verschollen und starb in Frieden.
    Die Laternen teilten sich in Vierergruppen. Es dauerte eine halbe Stunde, bis eine der Gruppen näher kam. Eine Stimme drang aus dem Nebel. »Derrrrrmott Bride!«
    »Ah«, meinte Dermott. »Sie haben auch muhen gelernt.« Er rief in den Nebel. »Hallo Jungs. Ich bin’s, und Annie.«
    Dann blendete eine Laterne ihr ins Gesicht. Sie konnte nichts sehen, bis sie über den Schein hinwegblinzelte. Sie erkannte einen der Fischerleute. Andere Laternen kamen regelmäßig schwankend näher.
    Vier Laternen schauten auf sie hinab. »Da ist er ja … der König und seine Nutte.«
    Eine Pistole mit fetter Nase tauchte im Dunst der Laternen auf. »Oh, am liebsten würden wir euch erledigen, meine Lieben.«
    Sie vernahm das weiche vertraute Schmatzen. Dermott hatte sein Messer aufschnappen lassen.

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