Das Isaac-Quartett
Er schob Annie hinter sich. »Dann holt mich doch, ihr Hübschen.« Er machte einen Satz nach vorn, und die Pistole fiel hin.
»Gott, er hat mich aufgeschlitzt … Er hat mich aufgeschlitzt …«
Der Fischer tauchte aus dem Nebel auf. Er trug keine Geleestiefel. »Was soll der Scheiß?«
Die alten Männer um ihn herum brummelten. »Coote, Coote, wir kommen her, um diesen Mistkerl zu retten, und er fuchtelt mit seinem Messer. Er hat den armen Johnny Boyle erwischt.«
»Ihr bescheuerten Wichser«, erwiderte der Fischer. »Ich hab doch gehört, wie ihr ihn bedroht habt. Verschwindet, sonst schick ich euch zurück zur First Avenue, wo ihr hingehört. Da könnt ihr mit Tiger John im Dingle rumhocken.« Er kam zu Annie und küsste sie auf die Wange. »Alles in Ordnung?«
»Ja«, erwiderte sie. »Vielen Dank.« Sie stand zwischen Dermott und dem Fischer und machte sich langsam auf den Abstieg vom Cashel Hill.
Dermott musste im Haus des Fischers bleiben. Annie kehrte mit O’Toole nach Dublin zurück. »Ihr seid beide so klug«, sagte sie. »Du und mein Mann. Das ist doch Cootes Haus. Castlecoote. Und warum habt ihr andauernd Castledermott gesagt?«
Der Esel war maulfaul. Dann knurrte er, aber das Knurren galt nicht Annie. »Na gut, das ist die Fischerburg. Aber er hat sie mit Dermotts Geld gekauft und hergerichtet. Die Lachse in dem See sind nicht aus der Hose des Fischers gesprungen.«
Was sollte sie ohne ihren Mann in Dublin? Durch die Liffey waten und Lachse fangen? Die Liffey war dreckig. Fische kriegten darin keine Luft mehr.
»Wann kommt Dermott zurück?«
»Keine Ahnung, Er und der Fischer pokern um mich.«
»Was soll das heißen?«
»Sie streiten darum, was mit dem kleinen James zu tun ist. Lassen wir den Burschen hier oder verpassen wir ihm einen Tritt zurück nach Americky.«
»Dermott würde dich nie hergeben.«
»Geschäft ist Geschäft«, entgegnete Jamey.
Annie wollte nicht ihr ganzes Leben einem Esel zuhören.
Also ging sie auf der Grafton Street shoppen, kaufte mit all den Bankschecks farbige Unterwäsche und anderes nutzloses Zeug und spazierte über die O’Connell Bridge. Sie konnte sich nicht von den Bettelkindern fernhalten, die sich entlang der Brücke ihr Revier abgesteckt hatten. Sie wollte ein Tuch nehmen und ihnen die Gesichter waschen. Die Bettler reichten ihr nicht mal bis zu den Knien. Sie konnte nicht glauben, dass es überhaupt so kleine Kinder gab. Sie fütterte sie mit Süßigkeiten von Switzer’s, um sie aufzupäppeln. Die Bettler gewöhnten sich an Annie Powell. »Da kommt die Schönheit«, sagten sie mit dem aufgesetzten Lächeln verbitterter alter Männer. »Da kommt das Mädchen.« Für Fünfjährige hatten sie ziemlich schrumpelige Haut.
Annie verbrachte den Nachmittag damit, ihnen beim Betteln zuzuschauen. Die Kinder taten ihr nichts zuleide. An ihrer Arbeitsweise war allerdings etwas Hinterhältiges. Sie fielen auf der Brücke über die Touristen her, grabschten in ihren Taschen herum, ließen sie nicht in Ruhe. Sie packten die Hosen der Gentlemen und die Röcke der Ladys, krallten sich mit kleinen Fäusten fest, die man unmöglich abschütteln konnte, wie eine professionelle Rattenarmee, und man schleppte sie bis zur Südseite der Brücke und auf die Lower O’Connell Street, bevor man mit ihnen fertig war. Sie hatten dann ein paar Münzen und vielleicht auch deine Brieftasche. Diese Kinder arbeiteten zu jeder Tageszeit.
Annie fand sie in Plastiktüten schlafend vor, wie sie sich bei strengem Wetter an die Brücke pressten. Vielleicht war das Ganze ein Trick, um unschuldigen Leuten Mitleid abzupressen. Aber ihr Zittern war echt. Annie wäre am liebsten mit ihnen ins Shelbourne spaziert, um sie mit Tee und Sandwiches zu füttern. Die Portiers hätten sie nicht hineingelassen. Wir sind hier in Dublin, meine Liebe, und ein anständiges Hotel kann keine Bettler im Hause dulden.
Aber Annie war nicht hilflos. Sagten denn die Portiers nicht Madam zu ihr? Sie war Dermotts Lady, und sie bewohnte eine Suite im Hotel. Das Shelbourne kochte große Becher Tee, die Annie zur Brücke brachte. Die Kinder tranken den heißen Tee mit demselben alten Lächeln. Am vierten Tag in Dublin küssten sie ihr im Regen die Hand und führten sie über die Brücke. Sie zwinkerten ihr zu und berührten sie am unteren Rocksaum. Sie zwangen Annie zu nichts. Sie luden sie ein mitzukommen. Sie würde die Kinder jetzt nicht im Stich lassen.
Annie und die Bettler gingen die Gardiner Street
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