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Das Isaac-Quartett

Das Isaac-Quartett

Titel: Das Isaac-Quartett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jerome Charyn
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entlang zu einem alten Haus in einer dunklen Gasse am Mountjoy Square. Es stank nach Fisch und öliger Margarine. Brachten sie sie nach Hause, damit sie Ma und Dad kennenlernen sollte? Türen schlossen sich hinter ihr. Sie erinnerte sich nicht daran, Treppen hochgestiegen zu sein. Sie befand sich in einem Raum, der eine Küche hätte sein können oder ein Lagerraum. Er wirkte auf Annie hoch wie eine Scheune. Mein Gott, an der Wand baumelte ein totes Huhn. Berge an Kleidung: Hemden und Westen und hunderterlei Hosen. Eine Kleiderscheune, mit einem toten Huhn, das die Sachen bewachen und die falschen Kunden verjagen sollte. Sie war verrückt, herzukommen. Sie hätte die Liffey mit diesen Kinderbettlern niemals überqueren dürfen.
    Sie wirbelten in einem grausamen Tanz um sie herum, krallten sich an sie wie an eine Touristenlady. »Na, macht’s Spaß?«, sagten sie. Ihre Bluse zerfetzte unter ihren Krallen. Sie rissen ihr den Rock vom Leib. Sie nahmen ihr BH und Schlüpfer ab. Nackt stand sie vor den Kindern. Sie versuchten, ihr zwischen die Beine zu fassen. Annie stürzte sich auf sie, wurde zur Furie. Sie war keine Schaufensterpuppe, die die Kinder mit ihren schmierigen Spinnefingern begrapschen und streicheln konnten. Sie schleuderte ihnen bergeweise Hosen entgegen und verfluchte ihnen jemals Tee an die O’Connell Bridge gebracht zu haben.
    Vielleicht hätte sie gewonnen, doch dann mischten sich ein Mann und eine Frau ein. Sie schlugen sie nieder und ließen den Kindern ihren Spaß. Ihre Hände waren einfach überall. Sie schrie nach dem heiligen Judas. Der Mann trat nach den Kindern und scheuchte sie davon. Annie war es gleich, dass er lächelte. Er trug eine hübsche Weste, aber sein Gesicht war so gezeichnet wie das der Bettelkinder. Ein Zwerg in Männerkleidung.
    »Hübsche Lady«, sagte er. »Du wirst uns Geld bringen. Wem gehörst du?«
    »Dermott Bride.«
    »Nie von ihm gehört.«
    »Er kommt aus Amerika«, sagte sie.
    »Aha. Und was macht er so, dein Mr. Bride?«
    »Er hat sich eine Burg gekauft«, sagte sie. »Er arbeitet mit dem Fischer.«
    »Kannst du mir das mal genauer erklären?«
    »Sie wollen das Paradise Hotel aufmachen … außerhalb von Galway. Das ist für Leute, die Lachse fischen wollen. Jagen und fischen.«
    »Hat er auch eine Dubliner Adresse?«
    »Das Shelbourne, St. Stephens Green.«
    »Das ist schon besser«, meinte der Mann. »Das ist gut. Du schreibst ihm einen Brief und erläuterst ihm die Umstände: Wenn er nicht mit tausend Pfund … englischen Pfund, nicht irischen … antanzt, wird er dich nur tot wiedersehen.«
    Selbst einer nackten Annie konnte er in einer Kleiderscheune keine Angst machen. Sie würde sich nicht von einem Zwerg mit Weste einschüchtern lassen, der eine Horde Bettelkinder kommandierte. »Mein Mann ist in Connemara«, sagte sie.
    »Na, wie schade. Du wirst bei uns warten müssen, bis er nach St. Stephens Green kommt.« Er nickte der Frau zu. »Ethel, nicht nötig, sie zu fesseln … Wenn sie schreit, schlägst du ihr einfach mit einer Bratpfanne den Schädel ein.«
    Annie ließ sich auch von einer hässlichen Hexe mit einem Topf in den Händen nicht den Mut nehmen. Die Hexe trug die gleiche Weste. War das Dublin, oder hatten sie sie in ein anderes Land gelockt? Ihr Heiliger hatte sie aus dem Nebel gerettet. Judas würde sie nicht im Stich lassen. Die Bettler kratzten an dem Huhn an der Wand. Sie waren am glücklichsten, wenn sie ihm in den Hals zwicken konnten. Annie hörte ein leichtes Donnern außerhalb der Scheune. Das Donnern kehrte wieder. Sie wusste, was das hieß. Ihr Heiliger tauchte in Gestalt eines Esels auf. O’Toole zerschmetterte Türen, um zu ihr zu gelangen. Das Donnern wurde lauter. Die Bettler versteckten sich hinter Kleidersäcken. Der Mann und die Frau klammerten sich aneinander, als die Scheunentür fiel. Jamey sprang über die Tür, seine Schulter war staubbedeckt. Er schaute den Mann nicht mal an.
    »Annie, zieh dir was an.«
    Ihre Klamotten waren ruiniert. Sie suchten in all den Haufen nach einer Weste und einer Hose. In Bettleruniform ging sie mit Jamey hinaus.
    »Wie hast du mich gefunden?«, fragte sie.
    »Als du nicht ins Hotel zurückgekommen bist, hab ich mir schon gedacht, dass du den Zigeunern in die Hände gefallen bist. Es gibt konkurrierende Familien, weißt du? Ich hab die eine Familie bezahlt, um der anderen nachzuspionieren …«
    »Warum bist du nicht zur Polizei gegangen?«
    »Die Garda ist ein Witz … die schnarchen in

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