Das Isaac-Quartett
Leute des Fischers zogen zu ihnen. Dann noch zwei. Jetzt bestand die Gesellschaft aus Dermott, Annie und vier alten Männern. Sie verhielten sich Dermott gegenüber rücksichtsvoll. Sie kamen ihm nicht in die Quere. Aber ohne diese alten Männer konnte er nicht mit Annie durch St. Stephens Green schlendern. Sie war eine verheiratete Frau und alles, durfte aber kein Wort darüber verlieren, und sie hatte vier Anstandswauwaus mit gelben Zähnen. Es war schon schlimm genug, mit ihnen leben zu müssen, solange ihr Mann da war. Doch dann musste Dermott für kurze Zeit nach Americky. »Muss ein paar Konten abschließen«, sagte er. »Gib mir die Chance, ein Glas mit Jamey zu trinken. Eine Woche«, meinte er. »Nicht länger.«
Aber nach einer Woche war er immer noch nicht zurück und Annie musste mit Cootes Leuten überleben, die ständig in ihrer Nähe waren. Ihre Zigarren verstänkerten Dermotts Suite. Andauernd kamen irgendwelche Kellner mit Sandwiches und Humpen voller warmer schwarzer Pisse, die aus dem brodelnden Schlamm am Grunde des Liffey geschöpft worden sein konnte. Sie waren stolze Wachhunde, diese alten Männer. Sie liebten es, Annie auf der Straße zu beschatten. Es kostete sie viel Energie und all ihre Schläue, die alten Männer abzuschütteln. Sie schlenderte ins Gaiety Green, eine Shopping Mall an der West Street, probierte ein Paar Stiefel, kroch dann schnell hinter einen Kleiderständer und glitt in eine Gasse in der Nähe der Cuffe Lane hinaus. Sie konnten ihr nicht folgen, da halfen ihnen auch nicht ihre gelben Zähne. Dann bog sie um mehrere Ecken und landete in Bewley’s Oriental Café. Sie setzte sich nicht nach unten, weil sie nicht von Kellnerinnen bedient werden wollte, die Bestellungen auf eine Tafel kratzten und Lemon Tarts servierten, obwohl man Scones bestellt hatte. Annie ging eine Etage höher in die Arme-Leute-Ecke, wo man sich selbst bedienen musste. Es war voll dort oben und man musste sich den Tisch mit einem Haufen fremder Männer teilen: Wenn man nicht die Ellbogen an den Körper presste, hatte man den Abschaum von ganz Dublin auf dem Schoß.
Doch einer beschützte sie, machte ihr auf dem Tisch Platz, damit sie in Ruhe ihre Scones knabbern konnte. Ein Amerikaner, ein Collegelehrer mit zerschlissenem Regenmantel und verknautschtem Hut, der mit einem kleinen Stipendium nach Dublin gekommen war. Er stellte Nachforschungen über einen Gentleman namens Jonathan Swift an.
»Und? Führen Sie mit diesem Swift Interviews?«, fragte Annie.
Der Lehrer lachte. »Nein, er ist schon lange tot. Er hat Gullivers Reisen geschrieben, eine Geschichte über einen Riesen in einem Land voller kleiner Leute.«
»Ja, ich erinnere mich an das Buch«, meinte Annie. »Die kleinen Leute haben ihn gefangen. Ich hätte Gulliver ja verdroschen, als er gefesselt war.« Annie verstummte. Sie trug ihren Ehering in der Tasche. Sie wollte nicht, dass der Lehrer sie für ein leichtfertiges Mädchen hielt. Sie flunkerte ein wenig. »Mein Mann ist auch Professor. Er studiert Mr. Faulkner und Mr. James Joyce.«
»Wo lehrt er denn?«
»Im Augenblick hat er keine Professur … aber er braucht eigentlich auch keine Arbeit. Er ist reich. Er kauft Burgen und baut sie zu Hotels um.«
Der Lehrer hieß Gerald, Gerald Charwin. Sie bemerkte den hungrigen Blick in seinen Augen. Was sollte Annie denn tun, wenn ein Mann sich in sie vergafft hatte? Sie konnte ihn rein zufällig treffen, dasitzen und ihre Scones essen, aber sie traf keine Verabredung mit Gerald. Am nächsten Tag wartete er gegen drei Uhr bei Bewley’s auf sie. Er erzählte ihr Geschichten aus der irischen Vergangenheit. Es gebe einen Fluss unter Dublin, sagte er. Den Poddle.
»Das glaub ich nicht.«
Sein Mann, dieser Jonathan Swift, war früher immer im Poddle gewatet.
»Gerald, steigt der Poddle bei schlechtem Wetter jemals über die Ufer? Stellen Sie sich mal vor, wie die ganze Stadt in dem Fluss unter den Straßen versinkt.«
Aber Gerald ging nicht darauf ein. »Der Poddle fließt nicht sehr weit. Er folgt der Little Ship Street. Dublin wird nie darin ersaufen.«
Er wäre gern mit ihr über die Kanäle spaziert, durch die der Poddle noch immer floss. Sie könnten den Bürgersteig berühren, meinte er, und auf das Wasser lauschen. Es war nur einen Block von dort entfernt, wo er wohnte. Annie hätte den Poddle nur zu gern gespürt, hätte nur zu gern einen unterirdischen Fluss mit den Füßen berührt, aber sie musste ablehnen. Was, wenn die Wachhunde
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