Das Isaac-Quartett
alten Gebäude schlafen, wann immer ihm danach war. Der letzte Hausmeister, der dort noch arbeitete, konnte ja schlecht den First Dep hinauswerfen. Nach Mitternacht konnte sich Isaac frei in den langen, marmorverkleideten Gängen bewegen. Die Bodenfliesen waren spröde geworden und lösten sich unter Isaacs Schritten. Er stolperte im Dunkeln und verfluchte das alte Gebäude. Aber er liebte es, Kachel um Kachel, die verbogenen Eisengeländer, das undichte Dach, durch das es ihm auf den Kopf tropfte, die geborstene Kuppel, der nutzlose Uhrenturm. Er hatte in dieser Ruine sein Domizil aufgeschlagen.
Der Triumph war nicht sonderlich groß. Ein Schreibtisch, eine Decke und Marmorböden waren nicht sonderlich behaglich. Dort, in seiner Ecke des Gebäudes, träumte er schlecht. Drei Frauen verfolgten ihn: Sylvia, Annie und Jennifer Pears. Ihre Gesichter vermischten sich in Isaacs Traum, überlagerten sich auf merkwürdige Weise. Annie hatte die grünen Augen von Jennifer, Sylvia trug das Mal auf der Wange. Jennifer sah Manfred Coen immer ähnlicher, Isaacs totem Engel.
Er murmelte »Blue Eyes«, musste husten und wurde davon wach. Sein Zimmer schien mit einer Art weichem, grauem Qualm gefüllt. Staub, mäandernde Staubwolken. Er bahnte sich einen Weg in den Flur. Der Staub war dick wie Nebel. Isaac konnte kaum etwas sehen. Er tastete sich bis zur Treppe vor. Im Erdgeschoss arbeiteten Stuckateure, ganze Handwerkertrupps. Sie standen auf Leitern und brachen Wände durch. Sie trugen Gesichtsmasken mit Nasen- und Mundschutz. Bei ihnen war eine Frau. Isaac erkannte sie trotz der Maske. Es handelte sich um die gescheiterte Bürgermeisterkandidatin Rebecca Karp. Sie winkte Isaac zu sich. Sie verließen das Gebäude und bauten sich auf der Straße voreinander auf. Becky nahm ihre Maske ab. Sie lächelte.
»Du Wichser, ich hab dich gewarnt. Du hättest dich auf meine Seite schlagen sollen.«
Isaac klopfte sich den Staub von den Schultern. »Rebecca, Sam hätte dich auch ohne meine Hilfe vernichtet. Diese Stadt liebt den einfachen Mann. Hier gibt niemand großen, vorlauten Weibern seine Stimme.«
»Isaac, du bist ein solches Baby. Wie konntest du nur so lange überleben? Wir haben das Gebäude übernommen, du Blödmann.«
Isaac hörte auf, sich abzuklopfen. »Wer sagt das?«
»Liest du keine Zeitung? Ich bin Vorsitzende des Downtown-Sanierungsausschusses. Wir verwandeln diese Müllhalde in ein Kulturzentrum. Und dich setzen wir an die frische Luft.«
»Das Gebäude gehört der Stadt«, sagte Isaac.
»Ich weiß. Wir haben es für eine Monatsmiete in Höhe von einem Dollar vom Liegenschaftsamt gemietet. Isaac, du kannst nicht gewinnen.«
Isaac ging zur Broome Street und rief das Büro des Bürgermeisters an. Er kriegte Sammy nicht an die Strippe. »Sagen Sie ihm bitte noch einmal … Isaac möchte ihn sprechen.«
Er musste zur City Hall laufen. Auf dem Territorium des Bürgermeisters konnte er nicht anonym bleiben. Die Reporter rochen ihn schon vom »Room Nine« aus, ihrem Kabuff neben dem Haupteingang. Sie kamen angerannt, um ihn sich zu krallen und zu löchern. Warum hielt er keine Pressekonferenzen mehr ab? Würde Sammy ihn zu einer Art Supercommissioner im Kampf gegen die Korruption machen?
»Kinder«, meinte Isaac, »das ist nur ein Privatbesuch. Kommt später in mein Büro.«
Ihr Sprecher war ein Bursche von den Daily News. »Isaac, verarschen Sie uns bitte nicht. Sie tauchen aus dem Nichts auf und verschwinden wieder. Wo sollten wir denn vorbeikommen?«
Er schlängelte sich durch und betrat den Flügel des Bürgermeisters. All das großspurige Auftreten, das er mit Sam genossen hatte, war verschwunden. Er musste sich mit den drei Sekretären des Bürgermeisters auseinandersetzen. Am dritten Sekretär kam er ohne Knurren und Augenrollen nicht vorbei. Der zweite Sekretär hatte weniger Angst vor ihm. Isaac tat der Unterkiefer vom Zähneknirschen weh. »Jungchen, ich mache keine Termine mit dem Bürgermeister.« Der erste Sekretär packte Isaac am Hosenboden. »Lass sofort los. Wir sind Blutsbrüder, Sam und ich …«
Die Cops vor der Tür des Bürgermeisters lachten, als sie sahen, wie Isaac von den drei Sekretären gejagt wurde. Sie waren in Zivil und hatten geschworen, Sammy mit ihrem Leben zu schützen. Sie würden dem First Deputy Police Commissioner wohl einen mit dem Gummiknüppel überbraten müssen. Aber Sammy hatte den Krawall gehört und linste zur Tür hinaus. Der Anblick machte ihn traurig. »Ist doch
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