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Das Isaac-Quartett

Das Isaac-Quartett

Titel: Das Isaac-Quartett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jerome Charyn
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blonde, und er zog es vor, seine Bewunderer zu enttäuschen, statt sich mit Coen anzulegen. »Mister, was bedeutet Ihnen Piss?«
    »Er ist mein Vater!«, sagte Coen. Er mochte die Furchen und Beulen auf dem Schädel des Alkoholikers. Ohne seinen Retter aus den Augen zu lassen, bückte sich der alte Mann nach seinen Zähnen. Er war sicher, dass aus Coen ein Dollar rauszuholen war.
    »Mist«, sagte er und schmatzte mit dem Zahnfleisch. »Für ein paar kleine Münzen könnte ich mir Schinken und Käse kaufen.« Dann spazierte er auf den Händen an Coen vorbei und versetzte mit seiner Taktik, den Hungerleider zu spielen, die Jungen in den Manchesterhemden in Erstaunen; während er kroch, ließ er seinen Magen knurren und Schleim aus seinem Kiefer laufen.
    Diese Verrenkungen machten Coen krank. Er wandte sich ab und ging, solange der alte Mann noch auf dem Boden kroch. »He«, sagte Piss, dem klar wurde, dass er ohne Coen zwischen den Manchesterhemden verratzt war. »Lassen Sie mich nicht allein.« Doch Coen stand schon fast vor Arnolds Zimmer. Er machte Piss die Tür vor der Nase zu.
    Arnold stellte stolz seinen orthopädischen Schuh zur Schau. Wenn Coen es zugelassen hätte, hätte Arnold ihn angebetet.
    »Manfred, das warst du, nur du. Du hast ihn dazu gebracht, ihn zurückzugeben.«
    Coen lehnte an der Tür und musterte prüfend die Schuhcreme auf Arnolds klobigem Schuh.
    »Er war hier, Manfred. Der Chinese.«
    »Wann?«
    »Vor etwa zwei Stunden. Sein Glück, dass er Frieden schließen wollte. Ich hatte mein Schwert im Fresskorb.«
    »Was hat er gesagt?«
    »Sieh, er hat ihn geputzt und poliert. Mit einem edlen Lappen.«
    »Was hat er gesagt, Arnold?«
    »Nichts. Ein paar verrückte Worte. Er lächelt, er stellt den Schuh hin, und dann sagt er: ›Grüß Blue Eyes von César und mir.‹«
    Coen hatte sich bereits gedacht, dass César etwas mit der Rückgabe des Schuhs zu tun hatte. So leicht gab der Chinese seine Trophäen nicht her. Coen kannte die Art der Guzmanns. Papa umarmte einen, verpflegte einen, stellte einem seine Farm und seinen Süßwarenladen zur Verfügung, lieh Jorge oder Alejandro einen Tag lang aus, doch er warf niemals unbedacht mit Geschenken um sich. Vielleicht hatten die Marranen, die man in Spanien und Portugal ihrer Habe beraubt hatte, eine eigene Sprache für das Geben und Nehmen weltlicher Güter entwickelt. Coen wusste es nicht genau. Doch wenn Papa einen mit etwas anderem als seiner natürlichen Zuneigung bedachte, musste eine böse Absicht dahinterstecken. César war genauso. Coen musste herausfinden, was er getan hatte, um den Schuh zu verdienen. Hatte er im Alameda-Park Jerónimo korrumpiert? Hatte er sich bei Mordeckay falsch verhalten? Bei Odile? Odile musste bei César gepetzt und ihm von seinem Besuch in der Jane Street erzählt haben.
    »Soll ich den Schuh ausziehen, Manfred?«
    »Nein«, sagte Coen. »Aber behalte dein Schwert in der Nähe.«
    »Manfred, schiebt der Chinese immer noch einen Hass auf dich?«
    »Nicht allzu schlimm. Aber vielleicht César Guzmann. Oder sein Papa. Oder beide.«
    Sie aßen Käse von Arnolds Fensterbrett; Coen feuchtete die dicken Scheiben mit Traubensaft an, den Arnold unter dem Waschbecken aufbewahrte. Bald würde der Blonde wieder in sein Schweigen verfallen, und Arnold würde den Raum nach Käsekrümeln absuchen müssen. Arnold hatte seinen Ehrgeiz. Er wollte nicht für den Rest seines Lebens ein kleiner Polizeispitzel in einem Fürsorgeheim bleiben, der Tischtennisbälle aufhob und den ewig gleichen Käse verschlang. Zwar sprach er es Coen gegenüber nicht aus, doch Arnold bewunderte die Unverfrorenheit und die schicke Kleidung des Chinesen. Wenn er aufgrund seines Fußes schon kein Bulle werden konnte (er war zudem kurzsichtig und kleiner als Coen), spielte Arnold mit dem Gedanken, César oder einem anderen Guzmann zu dienen. Wie die meisten Bullenspitzel hatte er ein feines Gespür für den eigentümlichen Rhythmus, der auf das Umkippen der Wippe zwischen den Bullen und den Gaunern eines Viertels hinwies. Mit gewöhnlichen Bürgern konnte er nichts mehr anfangen, den »Zivilisten«, die keine Bullen mochten und sich gleichzeitig von den Gangstern und den Sozialhilfeempfängern absonderten. Seit er damals seine Liebe zum Dasein als Gefangenenaufseher entdeckt hatte, konnte er sich nicht mehr auf neutralem Boden wohlfühlen. Die Civilanos waren seine Feinde, und er wollte für die Guzmanns, für den Chinesen oder für die Bullen arbeiten, und im

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