Das Isaac-Quartett
Haut ein und ließ sie runzlig erscheinen. Die Augen der Kinder traten als braune Knollen aus den Köpfen. Aus den Zähnen lief Blut. Die Wachtmeister mussten ihnen die Hände gefaltet und die Knie zusammengebogen haben; in einer derart würdigen Haltung konnten sie nicht gestorben sein. Zuerst berührte Coen Judith. Er wollte sein Mädchen nicht unter einer schäbigen Pferdedecke liegen lassen. In den Körben krabbelten Käfer herum. Coen zerquetschte sie mit seinem Daumen, doch die Käfer drehten sich nur auf den Rücken und gaben ekelhafte Geräusche von sich. Coen zog sich im Hof aus. Er legte seinen Mantel unter Alice und stopfte Judiths Sarg mit Hosenbeinen aus.
Leise surrend fuhr der Leichenwagen vor. Coen war immer noch nicht dahintergekommen, wer ihn in den Hof gerufen hatte. Der Truppenführer? Brodsky? Pimloe? Coens zeitweiliger Partner, der Kriminalbeamte Brown?
Beim Erwachen fauchte er Isaacs Namen. Seine Nase war rotzverklebt. Auf seiner Uhr war es drei Uhr morgens. Mit Knien, auf die kein Verlass war, stand er zitternd auf. Er hatte Stephanie in seinen eigenen Dreck hineingezogen. Doch wegen eines miesen Alptraums konnte er den Chinesen nicht schon wieder schlagen. Er zog seine Detectivekluft an (Fischgrät, grau in grau), rasierte sich die lästigen Haare unter der Nase und machte sich auf den Weg zu Stephanie. Er rüttelte den Nachtwächter wach und stach ihm sein goldenes Dienstabzeichen in die Rippen. »Mrs. Nerval braucht mich. Ich bin mit ihr verwandt. Außerdem bin ich Bulle.« Der Pförtner konnte es nicht leiden, wenn Bullen nach Mitternacht in sein Gebäude kamen. Mit nervöser Faust verhedderte er die Stöpsel der Haussprechanlage. Er erwischte Charles. »Dr. Nerval, entschuldigen Sie, Dr. Nerval, hier ist ein Herr, der sagt, er hat was mit Ihrer Gattin zu tun. Er hält mir ein Abzeichen unter die Nase.«
Coen hörte Charles durch die Stöpsel lossprudeln. Er steckte sein Abzeichen ein. »Ich will Mrs. Nerval, nicht ihn.«
»Dr. Nerval, der Herr will Ihre Gattin sprechen.«
Coen beugte sich zur Sprechanlage vor. »Charlie, sei nicht so dämlich. Es ist wichtig; lass mich rein.«
»Es ist vier Uhr, Coen. Glaubst du, Zahnärzte schlafen nie? Ich habe zwei kleine Kinder im Nebenzimmer.«
Charles zog seine Hausschuhe für den Bullen an. Er wünschte, Coen würde seiner Frau zu anständigen Tageszeiten nachlaufen. Er war in seine beiden Zahnarztgehilfinnen verliebt, puerto-ricanische Mädchen mit zarten Schnurrbärten und schmalen Taillen. Doch Charles war viel zu gerissen, als dass er das Gleichgewicht in seiner Klinik leichtfertig aufs Spiel gesetzt hätte. Er würde sowohl Rita als auch Beatriz erst dann nachstellen, wenn sie ihn um einer besseren Stellung willen verließen. Bis dahin beschränkte er sich auf eine flüchtige Hand auf einem Oberschenkel, sobald seine Patienten, größtenteils alte Männer, im Zahnarztstuhl einschliefen.
Stephanie kam in einem flüchtig übergeworfenen Umhang aus dem Schlafzimmer und zeigte eine ganze Menge Haut. Sie besaß Verstand genug, keine Spielchen mit Coen zu spielen. »Setz dich, Freddy.« Charles warf einen Blick auf eine Krampfader an Stephanies Schenkel und schätzte sich glücklich, eine Rita und eine Beatriz zu haben.
»Weck bitte Judith und Alice auf, Steffie.«
Charles krallte seine Nägel in seinen Schlafanzug. »Der Wachtmeister erteilt Anweisungen. Stephanie, triff dich in Zukunft mit deinen Männerbekanntschaften außer Haus. Der Typ von unten wird demnächst rumerzählen, dass wir Gruppensex treiben.«
»Lass ihn ausreden, Charlie. Mach uns einen Toast, oder geh ins Bett.«
Coen bemühte sich, seine frühere Frau nicht anzustarren; die lässigen Falten ihres weiten Umhangs erregten ihn, nicht die bloße Haut. »Bring die Mädchen zu Charlies Mutter. Schick sie nach Connecticut. Jetzt sofort.«
»Er ist ein armer Irrer«, sagte Charles. »Völlig übergeschnappt, genau, das ist es. Er glaubt, wir organisieren einen Pendelverkehr für kleine Mädchen. Stephanie, sag ihm, er soll jemand anderen um diese Nachtzeit belästigen.«
»Fred, hat es etwas mit diesem chinesischen Jungen zu tun?«
»Chino Reyes ist für eine kitzlige Angelegenheit engagiert worden. Ich habe seinen Herrn beleidigt. Die Guzmanns halten mich für einen Spion.«
»Geht das alles von Isaac aus?«, fragte Stephanie. Sie grollte immer noch gegen den Chef; Isaac war schuld an allem. Er war in ihre Ehe eingetreten, hatte Coen manipuliert und sich geniale
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