Das Isaac-Quartett
sitzen und ihren christlichen Gedanken nachhängen.«
»Boris, er hat mein Gesicht berührt. Zweimal. Einmal im Revier, einmal bei Bummy. Dafür wird er umgelegt, aber ich suche mir einen geeigneten Zeitpunkt aus.«
»Mich hat er auch angefasst. Er hat an meiner Jacke gezogen. Stellen Sie sich das vor, er belästigt einen auf der Straße, dieser Blechbulle. Meine sämtlichen Schwager haben zugeschaut.«
»Boris, ich werde zu gegebener Zeit an dich denken. Das verspreche ich dir.«
Der Lotse fing an, den Chinesen zu mögen. »Chino, meine Zustimmung haben Sie, aber erwähnen Sie es bitte nicht Zorro gegenüber. Er würde mich nach Queens zurückschicken. In einer Kiste.«
»Ich bin keine Petze«, sagte der Chinese.
»Was kann ich für Sie tun, Chino? Sagen Sie es nur.«
»Es gibt einen Mann, Boris, Solomon Wong; er hat in Kuba für meinen Vater Teller gewaschen, ein alter Mann, und ich will wissen, dass es ihm nicht schlechtgeht. Von mir nimmt er kein Geld an.«
»Wie viel?«, fragte Boris, der praktisch veranlagt war.
»Vielleicht zehn wöchentlich.« Der Chinese wühlte nach seinem Geldclip. Boris schüttelte den Kopf.
»Zehn wöchentlich? Das zahlt César.«
»Nein. Es muss von mir kommen; sonst hat es keinen Sinn.«
Boris nahm das Geld des Chinesen an. Er wollte abfahren. Der Chinese hielt sich an der Limousine fest.
»Willst du denn nicht wissen, wo du ihn findest?«
»Wen?«
»Den Tellerwäscher. Versuch es auf anderen Baustellen. Oder in Obdachlosenheimen.«
»Mister, was glauben Sie, wie viele Solomon Wongs es gibt?«
Chino ließ den Wagen los. Er sehnte sich nach einer Waffe. Die Rausschmeißerinnen im Dwarf hattenseinen Colt. Sie hatten ihn in einen Putzeimer fallen lassen, als er wegen Odile die Spelunke eingerannt hatte. Wenn er mit Coen fertig war, würde er diese beiden Mannweiber zusammenschlagen. Von einem der üblichen Händler konnte er keine Waffe kaufen. Wenn sich überall Polizeibeamte rumtrieben, trocknete der Markt aus; nur die Nigger verkauften jetzt noch Knarren, aber bis nach Harlem konnte er nicht laufen. Er vermisste seinen Schuh, dieses höckrige Stück Leder. Doch in letzter Zeit hatten ihn immer, wenn er den Schuh trug, ergreifende Bilder von seinem Vater bestürmt. Der Chinese war gläubig; er hatte keine Bedenken, was die Glaubwürdigkeit von Geistern anging. Sie zogen ihn bestimmt zur Verantwortung. Sein Vater hatte Schlamm im Schädel (ein Zeichen von Ruhelosigkeit). Um den Geist zu beschwichtigen, wollte Chino Vorkehrungen für Solomon Wong treffen. Vielleicht war es das Schicksal seines alten Vaters, mit schlammigem Kopf herumzulaufen, bis Solomon, der lebendig auf dieser Welt lebte, von seinem niederen Status als Tellerwäscher und Vagabundo erlöst werden konnte und auf Lebzeiten ein Einkommen hatte, ganz gleich, wie gering. Doch im Moment konnte er Solomon nicht suchen. Und der Geist musste gefüttert werden. Daher sah er zu, dass er den Schuh loswurde. Um etwas gegen sein Magenknurren zu unternehmen, ging er zur Grand Street, um Pinienkernhörnchen zu essen und Mandelmilch zu trinken. Blue Eyes kam schon noch dran, aber nicht heute Nachmittag.
12
Sein Ringelreihen mit César und dem Chinesen musste ihm zu Herzen gegangen sein. Coen, der beeidete, noch nie geträumt zu haben, hatte drei Träume in einer Nacht. In seinen Träumen kamen keine Guzmanns vor, kein Eierladen, keine Farm. Die meisten drehten sich um seine Ehe, seine Kräche mit Stephanie, ihre unter Tränen ausgestoßenen Verwünschungen und seine zusammengepressten Lippen und nichts Dauerhafterem dahinter als Spucke, Spucke zum Liebemachen; Coen war von der Vorstellung besessen, dass sich ihre Schwierigkeiten in Nichts auflösen würden, wenn er seine Frau nur lange genug bespringen würde. Doch der letzte Traum schweifte von seiner Ehe ab und spielte im Polizeirevier. Coen, Coen als Junggeselle, wurde in den langen, schmalen Hof neben dem Revier gerufen (einen Hof, der für Frischluftsport und Appelle gedacht war und zeitweise als Leichenaufbewahrungsstätte diente), um zwei Leichen zu identifizieren, die auf dem Rasen des Reviers aufgefunden worden waren. Die Leichen waren in behelfsmäßigen Särgen untergebracht (Weidenkörben aus der Wäscherei des Krankenhauses, die mit alten Pferdedecken zugedeckt waren). Coen erkannte den Babyspeck von Stephanies Töchtern durch das Weidengeflecht. Die Mädchen hatten verunstaltete blaue Hühnerhälse und geschwollene Zungen. Das Korbmuster schnitt in ihre
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