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Das Isaac-Quartett

Das Isaac-Quartett

Titel: Das Isaac-Quartett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jerome Charyn
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Neffe war verrückt; immer brachte er entweder zu viel oder zu wenig mit. Konnte er sich nicht ausrechnen, wie viele Birnen nötig waren, um einen Schlafsaal mit vier verstopften Witwern und Junggesellen zu füttern?
    »Wie geht es dem Baby, Onkel Sheb?«
    Sheb sah Coen von der Seite an. Er stopfte seine zwei Dollarscheine durch das Loch in seiner Tasche. Der Neffe würde den verpissten Schlafanzug seines Onkels nicht durchsuchen. Dann vergaß er wieder, warum ihm Jerónimo immer zwei einzelne Dollarscheine mitbrachte, die in Toilettenpapier eingewickelt waren. »Was hat Jerónimo gesagt, Onkel?«
    »Er hat gesagt, in Mexiko stinken die Wände. Im Speiseeis ist Stroh. Auf dem Kuchen sitzen Fliegen. Er hatte nicht genügend Centavos, um sich anständige Gummibonbons zu kaufen.«
    Die Dollarscheine fielen Sheb aus dem Schlafanzug. Er klatschte darauf, bis die Ränder einrissen. Dann steckte er sie hastig in den Gummizug seiner Schlafanzughose und versuchte, sie flach gegen seinen Magen zu drücken. Ganz gleich, wie sehr Shebby auch rieb, um sie zu glätten – Coen erwähnte das Geld mit keinem Wort.
    »Manfred, wie viel ist vierundzwanzig Dollar mal dreizehn Jahre?«
    Coen pflückte alte Rosinen vom Kissen seines Onkels. Keinen halben Meter von Shebbys Pyjama entfernt, verlor er die Kraft, ihn zu beschuldigen. Wie viele Onkels konnte ein Bulle haben? Die Guzmanns hatten Verwandte im Überfluss; Papa konnte sie sich wie Haare aus der Nase reißen, konnte einen Cousin gegen einen anderen Cousin eintauschen, doch Sheb und er waren die beiden einzigen Cousins.
    »Sheb, ich könnte dir morgen Nüsse vorbeibringen. Die Birnen haben zu lange im Fenster gelegen. Sie schmecken besser, wenn sie nicht so ausgebleicht sind.«
    Shebby setzte sich nicht mit den Nachteilen sonnengebleichten Obstes auseinander. Etwa acht oder neun Mal im Jahr kam der Neffe zu ihm. Wenn er sich erbot, morgen wiederzukommen, entsprang das nicht einer plötzlichen Liebe. Daher räumte Sheb den Schlafsaal. »Jungens, setzt euch zu den Fräuleins. Der Neffe und ich müssen was bereden. Morris, heb deinen Arsch hoch. Er schleift am Boden. Sam, wenn du am Schlüsselloch horchst, plombiere ich dir deine großen Ohren mit einer Feige, Irwin, ich will privat und alleine sein.« Als seine Zimmergenossen draußen waren, fingen Shebs Mandeln an zu schwitzen. Er konnte auch ohne einen Neffen leben. Alles, was er brauchte, waren zwei Dollar monatlich und genügend Klopapier in der Faust. Er nieste.
    »Gott segne dich, Onkel Sheb.«
    »Wer hat dir das beigebracht? Deine Mutter? Sie hatte Angst vor Schnupfen. Dein Vater hat einen Feiertag ausgesucht, Manfred. Er hat sich in seiner Weste schlafen gelegt. Ich musste ihnen die Haare kämmen.«
    Coen hielt Sheb am Knöchel fest.
    »Manfred, nur zwei Köpfe haben gleichzeitig reingepasst.«
    »Ich weiß, Onkel. Das brauchst du mir nicht zu erzählen.«
    Coen schwankte. Er musste sich an seinen eigenen Knien festhalten, um nicht mit Onkel Sheb auf die Kissen zurückzufallen. Er wollte nichts über die Ausmaße des Ofens seines Vaters hören. Doch Sheb verschonte ihn nicht.
    »Mein Bruder, mein reizender Bruder, er wollte mich mit seiner Frau grillen. Damit er die Knöpfe umdrehen und uns mit dem Daumen prüfen konnte, um zu sehen, wie gar wir sind. Dann wollte er uns behutsam rausholen, ganz behutsam, um Platz für sich selbst zu schaffen. Aber Jessica hat Nein gesagt. Sie wollte sich den Herd nicht mit mir teilen. Sie wollte Gas schlucken und dabei Alberts Hand halten.«
    Sheb packte Coen an der Wade und zog ihn ins Bett. Da saßen sie zusammengekauert, einen Hausschuh, einen Waschlappen und eine Pillendose zwischen sich.
    »Dein Vater, Albert, konnte nicht mehr richtig denken. Er hat mich übrig gelassen. Zum Knöpfedrehen.«
    Coen steckte seine Hand in Shebbys Hausschuh: Alle Coens hatten kleine Füße.
    »Shebby, hat Albert dir gesagt, dass du den Kittel anziehen sollst, den dreckigen Arbeitskittel aus dem Laden?«
    »Arbeitskittel?«, sagte Shebby. Er konnte nicht denken, ohne mit seiner Zunge zu schnalzen und Spucke durch die Zähne zu quetschen. »Das war nicht Albert. Das war Jessica. Sie wollte nicht, dass ich mir mein Hemd schmutzig mache. Ich sollte mich umziehen, nachdem ich die beiden rausgeholt hatte. Scheiß drauf. Ich hab meinen Kopf nicht reingesteckt. Ich hatte niemanden, der mir die Hand hält.«
    Er grub seine Finger in Coens Arme und schüttelte ihn. »Nennst du das einen Bruder? Er hat geplant und

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