Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Isaac-Quartett

Das Isaac-Quartett

Titel: Das Isaac-Quartett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jerome Charyn
Vom Netzwerk:
geplant, und zum Schluss bin ich als Heizer übrig geblieben, habe für sie die Knöpfe gedreht.«
    »Wo waren die Guzmanns, Onkel? Wer von ihnen hat seine fetten Zehen in den Eierladen gestellt? Wie viel hat sich Albert von Papa geborgt?«
    »Ich schütte ihm mein Herz aus, und er erzählt mir was von den Guzmanns. Habe ich Alberts Kleingeld gezählt? Manfred, du hast das Temperament deiner Mutter. Sie konnte einen nicht anschauen, ohne den Mund zu verziehen. Jerónimo bringt mir Geld. Wer erinnert sich schon an die Gründe?«
    »Haben Sie dich dafür bezahlt, dass du meine Adresse in Deutschland vergessen hast? Wollten Sie, dass ich nicht im Land bin, bis der Ofen gereinigt war?«
    »Und für all das zwei Dollar? Mein Sinn für Geld muss verkommen sein. Warum sollten sie mich nicht weiterhin zahlen? Wir haben erst Alberts zwölften Jahrestag. Kann man in dreizehn Jahren einen neuen Bruder finden? Du bist bekloppt, Manfred. Sie haben mir Geld gegeben, ehe die Coens sich vergast haben. Ich bin kein Fürsorgeempfänger. Papa hat ein Sparkonto für Jorge und mich eröffnet. Aber ich habe das Sparbuch verloren. Ich war nicht auf die Barmherzigkeit deiner Mutter angewiesen, Manfred. Meine drei Hemden hätte ich selbst bügeln können.«
    Sheb saß da, hatte den Daumen in der Nase, seine Augen von Coen abgewandt und auf die Pillendose gerichtet und fummelte mit seinen Füßen an dem Hausschuh herum. Coen rief nach Shebs Zimmergenossen. Sein Onkel, dem man zu Hause die Bananen zerdrücken musste, ehe er einen Bissen nahm, der in abgetragenen Sachen herumlief und nie gelernt hatte, sich einen Scheitel zu ziehen, war der Anführer des Nordflügels vom Manhattan-Feierabendhaus. Coen hatte Sheb bagatellisiert. Fern von der Bronx, Alberts Rieseneiern und Jessicas Hand entkommen, blühte der Onkel auf. Er hatte sich selbst beigebracht, wie man mit den Knöpfen eines Herdes umgeht. Coen, der Mann von der Mordkommission, hatte Leichen gesehen, denen die Zunge im Hals steckte, brandnarbige Babys, eine Hure aus Chelsea mit einer Vorhangstange zwischen den Beinen, einen Rabbi aus Brooklyn mit Läusen dort, wo seine Augen hätten sitzen sollen, einen ertrunkenen Rauschgifthändler mit Kaulquappen in den Schamhaaren; er hatte sich beruflich in den Leichenschauhäusern etlicher Stadtteile rumgetrieben, er hatte Haut berührt, die dicker war als Rinde, er hatte Gerichtsmedizinern beim Absägen von Schädeldecken zugeschaut, aber er hatte nicht den Ofen für seinen Vater angezündet.
    Was wusste er über Albert und Jessica? Wie tief konnte man seine Nase in eine Schüssel Gemüsesuppe hängen, ohne sich das Gesicht zu verbrennen? Andere Jungen fanden Präservative in den Kommoden ihrer Väter. Warum nicht Manfred Coen? Wie kam es, dass Jessica nur dann ihren Büstenhalter auszog, wenn Albert in den Laden gegangen war? Küssten sie sich mit offenen Mündern? Wozu lebte man gemeinsam in vier Wänden, wenn man nicht hören konnte, wie ein Vater kam? Sheb hatte er zumindest mit dem Schwanz in der Hand gesehen. Sonst nichts. Die Coens hatten keine ausschweifende Art. Heute musste er sich fragen, ob sein Vater überhaupt einen Schwanz hatte. Wohin trug seine Mutter ihre prallen Brüste, während Albert Hühnerscheiße von seinen Rieseneiern kratzte? Fiel ihm auch nur ein anderer Vater ein, der sein Leben lang nichts anderes als Eier verkauft hatte? Er erinnerte sich an losgelöste Einzelheiten, die Farbe von Alberts Portemonnaie mit dem Wechselgeld, an die leichte Missbildung von Alberts Daumen, den Essiggeruch im Haus, die Furchen im Griff des Salatmessers, die Haube, die Jessica trug, um ihr Haar vor dem Mehl zu schützen, den Höcker auf Jessicas Hals, die Falten, wenn sie lächelte, die Mottenkugeln, die wie in ihre Bestandteile aufgelöste Beeren unten in der Vorratskammer hingen, Alberts Rasierer, Jessicas Kamm, das Muster auf ihrer Bettdecke, ihre Hüte, ihre Schuhe, doch er erinnerte sich an nichts, das ihm das Recht gegeben hätte, sie als seine Eltern zu beanspruchen. Er hätte ebenso gut ein geborener Guzmann wie ein Coen sein können.
    Sheb war zu sehr mit Morris, Irwin und Sam beschäftigt, um zu bemerken, dass Coen nicht mehr da war. Er hatte keine Birnen mehr für sie. Er hätte gemeinsam mit den anderen das morgendliche Knöchelknacken beenden können, doch mit zwei Dollar im Schlafanzug hatte er größeren Ehrgeiz. Er forderte den reichsten Kürschner des Südflügels zu einer Partie Halsabschneider-Binokel heraus; Morris und

Weitere Kostenlose Bücher