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Das Isaac-Quartett

Das Isaac-Quartett

Titel: Das Isaac-Quartett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jerome Charyn
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Schale isst.«
    »Emmanuel, von deinen Zwiebeln hat er eine bessere Nase bekommen. Er war so sehr damit beschäftigt, an den Guzmanns zu schnüffeln, dass er vergessen hat, wer wir sind.«
    »Du schätzt ihn falsch ein. Isaac ist nicht vergesslich.«
    Coen zog sich in Schillers Kammer zurück. Eine halbe Stunde später leerten sich die Tische, und Schiller fand einen Partner für Coen, einen kubanischen Tellerwäscher, der Alphonso hieß und einen brutalen, unorthodoxen Stil hatte, der einem in den Ecken Schwierigkeiten bereitete. Als die Freaks fort waren, kam Coen in seiner Tischtenniskluft aus der Kammer. Alphonso ließ sich von dem goldenen Abzeichen und dem Revolvergriff nicht einschüchtern. Sie hatten schon einmal gegeneinander gespielt. Beide wischten ihren Mark V mit einem Lappen ab, den Schiller ihnen brachte. Sie wärmten sich mit einem durchschnittlichen Ball auf und gingen dann zu einem schwereren, besseren Ball über, der sich unter dem Druck ihrer breitgriffigen Schläger nicht so leicht einbeulen ließ. Coen dachte noch an die Eier und hätte sich eher schwerfällig bewegt, doch das ließ der Cubano nicht zu. Er zwang Coen, hart zu spielen. Coen schaltete ab, dachte nicht mehr an die morbiden Gestalten seiner Vergangenheit, Mutter, Vater, Papa, Isaac, Sheb, um Alphonso in Schach zu halten. Seine Angaben mit der Schmalkante des Schlägers flogen so dicht über das Netz, dass Alphonso sie nur erwischte, wenn er sich den Ellbogen seines Spielarms zerschrammte. »Maricón«, schrie er den Ball an. »Bobo.« Doch er zahlte es Coen heim. Er setzte Bälle so gezielt in die Ecken, dass der Bulle mit dem Halfter an der Tischkante hängen blieb und den Punkt verlor. Er hätte den Halfter ablegen, ihn an einen Stuhl lehnen können, doch für Alphonso, der mit großer Genugtuung an seinen Schnurrbartenden gesaugt hätte, wenn Coen sich seinetwegen ausgezogen hätte, wollte er die Waffe nicht ablegen. Alphonso sah die frischen weißen Schrammen in Coens Halfter und spielte mit der Hälfte seines Schnurrbarts im Mund. Coen musste sich anstrengen. Er trieb den Cubano in die Galerie, um ihn mit einem Schlag zu erledigen, bei dem Alphonsos Nase auf der Tischplatte gelandet wäre, als sich plötzlich ein Gedanke in seinem Kopf verfing. Er machte den Punkt nicht, sondern ging um den Tisch herum in Schillers Schlafkammer und riss Schiller aus dem Schlaf hoch. »Emmanuel«, sagte er und presste ihm den Schläger in die Rippen. »Ich habe meinen Vater nie geküsst.«
    »Na und?«, brummte Schiller auf seine gutmütige Art.
    »Ich kann mich nicht daran erinnern, seine Schulter berührt, ihm die Hand geschüttelt zu haben, nichts.«
    »Manfred, das geht vielen Jungen so. Ich hatte einen Vater, der einem einen Kinnhaken gegeben hat, wenn man vergessen hat, ihn mit ›Sir‹ anzureden.«
    »Hast du ihn geküsst?«
    »Vielleicht einmal in meinem Leben. Es hat schrecklich geschmeckt. Wie nasses Papier.«
    Alphonso rief vom Tisch herüber. »He, Mann, hör auf mit dem Quatsch.«
    Er trocknete sich den Schnurrbart, ehe er mit Coen weiterspielte. Er rieb den Ball an seinem Unterhemd ab. Jetzt machte er Coen in beiden Ecken Ärger. So, wie der Cubano auf die Dielen knallte, brauchte Schiller mehrere Minuten, um eine natürliche Schlafhaltung wiederzufinden. Und Coen hatte ihm Alpträume vererbt; er spürte den Druck einer knochigen Hand auf seiner Stirn. Er stöhnte, stieß an die Wand und trat die Bratpfanne von ihrem Haken, und der Cubano fluchte laut und drohte, die Zeit, die er mit Coen spielte, nicht zu bezahlen, wenn Schiller nicht lernte, wie man leise schlief. Alphonso warf sich vor, dass er den Ball abgewischt hatte. Der Bulle kassierte die Punkte für seine Angaben ein. Seit Coen das Spiel unterbrochen hatte, um mit dem Hausherrn über väterliche Küsse zu plaudern, kehrte Alphonsos Schwung nicht mehr zurück. Er lächelte und dachte sich, vielleicht seien Coen und Schiller ein schwules Pärchen, doch mit dem Schläger konnte er immer noch nichts gegen Coen ausrichten. Coen vertrieb ihn vom Tisch; er stolperte in seinen Kampfstiefeln, um den Ball von unten zu erwischen.
    Chino Reyes stand mit seiner Polizeiwaffe, einer stupsnasigen.38er, in der Eingangstür. Er war gekommen, um den Bullen zu demütigen, ihn dazu zu bringen, dass er um sein Leben bat. Doch als er Coen in kleinen marokkanischen Stoffschuhen sah, vergaß er seine Pläne. Seine Augäpfel hefteten sich auf das Muster an Coens Füßen, an jede Bewegung, die

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