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Das Isaac-Quartett

Das Isaac-Quartett

Titel: Das Isaac-Quartett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jerome Charyn
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Busbahnhöfen nicht einmal genügend Charakter besaßen, zwischen jüdischen und nichtjüdischen Ausreißerinnen zu unterscheiden. Die Guzmanns waren keine wunderlichen Leute mehr, malerische Zurückgebliebene mit Lotteriescheinen, die zu Hause in ihrem Süßwarenladen beteten; sie waren »Fleischfresser« (Käufer von Menschenfleisch), eine Familie von Insekten, die auf Isaacs Gebiet betete. Er schickte seine Leute auf die Busbahnhöfe, ohne Manfred davon zu unterrichten, der mit Guzmannschen Sodas aufgewachsen war und durch den die Tarnung der Detectives aufgeflogen wäre (die meisten trugen Frauenkleidung). Isaacs Abgesandte kamen mit Kartoffelchips im BH zurück. Sie konnten die Guzmanns in keine Verbindung mit dem Geschehen an den Busbahnhöfen bringen. Die Zuhälter, die für die Buslinien zuständig waren, mussten fragen: Wer ist César, wer ist Papa, wer ist Jerónimo? So musste Isaac feststellen, dass die Guzmanns mit den alten Koordinaten und den üblichen Spionen nicht in die Falle gingen.
    Er brachte den First Deputy auf seine Linie, einen Iren mit Adlernase, ein sanfter Mensch, der sich den Vorstellungen seines intelligenten jüdischen Helfers fügte und den das von Isaac farbenfroh ausgemalte Bild von sechs Guzmanns, die junge Mädchen verschlangen, entsetzte. Isaac zettelte sein eigenes Verhängnis an. Er zahlte einen Informanten dafür, ihn zu verpfeifen, ihn so weit in die Geschäfte der stadtbekannten Spieler der Bronx zu verwickeln, dass er seine Unterlagen einsenden und das Abzeichen zurückgeben musste, alle Anrechte auf seine Rente verlor und aus den Hands of Esau austreten musste. Die Detectives, die ihm untergeben waren, trotteten glubschäugig vor Gewissensbissen durch das Büro. »Isaac als Aushängeschild der Spieler? Blödsinn. Jemand will ihn linken.« Nur Isaac selbst konnte die delikaten Balancen seines Sturzes genießen; innerhalb der ersten Woche, nachdem er seinen Schreibtisch geräumt hatte, lagen ihm Angebote von Spielerverbindungen in Brooklyn und Queens vor. Isaac entschied sich zu verhungern. Er war neunundvierzig, hatte eine Schwimmerbrust, buschige Koteletten und eine knabenhafte Taille; außerdem hatte er eine verheiratete Tochter und eine Ehefrau, die sich ihm entfremdet hatte und auch ohne ihn reich war. Er zog aus Riverdale in die Boston Road. Er saß in billigen Spelunken und wartete darauf, dass Papa anbeißen würde. Er verhöhnte Streifenpolizisten, doch sie hatten schon vom Chef Isaac gehört und nicht den Mumm, mit ihren Knüppeln auf ihn einzuschlagen.
    Papa nahm ihn auf, jedoch ohne einleitende Umarmungen. Wenn Isaac die Heimat und die Gepflogenheiten der Guzmanns gekannt hätte, wäre ihm die Absurdität seiner Lage klar gewesen, und er wäre mit hängenden Ohren zum First Deputy gekrochen. Die Guzmanns engagierten keinen Schieber, ohne ihn zur Besiegelung zu umarmen. Papa folgte den Gebräuchen seiner Väter in Peru. Für die Marranen hatte das Böse einen aus der Nähe wahrnehmbaren Gestank. Ihre Umarmungen waren nur ein Vorwand, eine Gelegenheit, zu schnüffeln, wie viel Schaden man befürchten musste. Einen Mann nicht zu beriechen, war das Zeichen größtmöglicher Verachtung. Isaac saugte die Flüssigkeit aus Papas Kirschbonbons und aß mit Jerónimos Löffel. Er trug Vierteldollarstücke, wenn Jorges Taschen überquollen, er bildete eine Kette mit Topal und Alejandro, um Zweihundert-Liter-Fässer mit Sirup im Keller zu verstauen, man gab ihm alle fingierten Abrechnungen zum Spielen. Papa zahlte ihm kein Gehalt. Er lebte von Cents und sah Dollarscheine nur, wenn er seine Ausbeute zur Bank brachte. So gründlich er die Boston Road auch durchstreifte, er fand keine Schmutzspuren von César oder der Heiratsvermittlung.
    Daher wusch er Pennys in einem Kübel, lernte durch Jerónimo das Aroma weißer Schokolade kennen, rasierte sich nur jeden dritten Tag, latschte wie ein Guzmann, grunzte wie ein Guzmann, bohrte in der Nase und kam mit verklebten Koteletten, einem zerkratzten Gesicht und schmutzigen Fingernägeln in die Abteilung des First Deputy. Seinen früheren Mitarbeitern fielen die Augen aus dem Kopf. Sie wussten, dass sich Isaac in der Bronx rumgetrieben hatte, doch mit solchen Entartungen hatten sie nicht gerechnet. Isaac, erinnerten sie sich, war immer eine makellose Erscheinung gewesen. Pimloe verspottete ihn gemeinsam mit den anderen Inspektoren. Mit einem Inspektor, der ohne Amt und Würden so daherkam, wollten sie nicht gemeinsame Sache machen. Und

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