Das ist das Leben!: C'est la vie (German Edition)
krochen. Während der Massenflucht 1940 in Sully-sur-Loire haltgemacht und, weil die Erwachsenen es nicht durften, zusammen mit der großen, neunjährigen Schwester Wasser in Bechern an gefangene Soldaten verteilt haben, die nicht stehen bleiben durften. Sich wieder mit sechzehn Jahren in einem weiten weißen, schwingenden Kleid mit großen grünen Punkten und breitem Kragen sehen, später in einem roten Kleid aus Faille-Seide mit engem Oberteil, ausgestelltem Rock und zwei kurzen Volantärmeln aus weißem Organdy – oder in einem kurzen, sehr eng anliegenden Kleid aus grober schwarzer Spitze mit viereckigem Ausschnitt und in einem kastanienbraunen Samtkleid mit goldbrauner Weste im Fischgrätmuster, die man mit einem Riemen zuband, einem breiten Gürtel aus schwarzem Leder, der die Brust betonte, und in helllila Tanzschuhen mit silbernen Absätzen.
Noch immer leichte Unruhe verspüren angesichts der Tiefen großer, schwerer Burgunderschränke, die mit schillerndem dunkelgrünem Moiré-Stoff ausgeschlagen sind und bei denen man das Gefühl hat, man könne von der Dunkelheit verschluckt werden oder in ein helles Licht eintauchen, wenn man hineinfällt. Staunend in seinem Inneren die Stimmen mancher Toter hören, aber nicht aller, nein, und ohne zu wissen, warum es gerade diese sind und nicht jene. Mit seinen Fingern spielen. Sich in Augenblicken größter Angst, Aufregung oder Verlegenheit wie ein Stein fühlen, der sich selbst und sein Leben umschließt. Mit einem kupfernen Türklopfer an eine hohe Tür klopfen. Die Augen schließen, um das Lied des Windes in den hohen Pappeln von Bodélio besser zu hören, und seinen Hauch im Gesicht spüren. Es nicht leiden können, wenn einem die Haare ins Gesicht fallen, wenn der Hals in geknoteten Schals gefangen ist, wenn man Lippenstift oder eine Handtasche in der Armbeuge, fleischfarbene Unterwäsche oder ein zu enges Kleidungsstück trägt, das unter den Achseln kneift.
Sich eine Münze geben lassen, um die Freundschaft nicht zu zerschneiden, wenn man jemandem ein Messer oder einen Brieföffner schenkt. Gefallen an Geistesblitzen haben, an Humor, Scherzen und Ironie, aber Sarkasmus hassen. Ein Gespür für Ungewöhnliches, Unpassendes, für Diskrepanzen und Bizarres haben, das wie ein Blitz aufleuchtet. Sich anmutig bewegen, charmante Handbewegungen machen, sich geschmeidig aus einem Sessel erheben.
Wissen, dass die Zeit beim Nachdenken vergeht wie im Flug und man ganz entgeistert wieder zu sich kommt. Gloria Grahames spitzes Kinn, ihren schelmischen Blick und ihr perlendes Lachen mögen. Angst vor Treibsand haben, vor Erdrutschen, vor den hohen Stufen der mexikanischen Pyramiden, davor, sich den Fuß zu verstauchen, rückwärts zu gehen. Üppige Hortensiensträuße binden. Auf die stumme Frage aller Kleinkinder »Wer bist du denn?« mit einem Lächeln antworten.
*
Wie Sie feststellen können, lieber Jean-Charles, handelt es sich hier weder um hochtrabende metaphysische Spekulationen noch um tiefschürfende Überlegungen über die Nichtigkeit des irdischen Lebens oder unser Liebesleben.
Es geht einfach um die Möglichkeit, aus jeder Lebenserfahrung etwas Schönes und Anmutiges zu ziehen, einen Schatz, der ganz von allein immer größer wird und aus dem man täglich schöpfen kann. Wirklich keine Hexerei, oder? Natürlich stecken in diesem bunten Sammelsurium Gefühle, Empfindungen, Emotionen, Glücksmomente, die man erlebt hat und noch immer erlebt.
Sie haben Ihre eigene Quelle der Erinnerungen, die nur drauflossprudeln will, die Ihnen Gesellschaft leisten und Sie in allen Ihren künftigen Handlungen unterstützen will.
Ich habe gelernt, meine Erinnerungen als das zu erkennen, was sie sind: wundervolle Meilensteine unseres Lebens.
Auf einmal wird unser Leben um so vieles reicher und interessanter, als man meint. Und denken Sie vor allem daran, dass Ihnen all das nie wieder genommen werden kann.
Schlusswort
Wirklich keine Hexerei, schrieb ich an den Empfänger dieses Textes. Ja, aber dennoch unerlässlich. Wer bin ich über die äußerlichen Merkmale hinaus, die man mir zuschreiben kann – äußere Erscheinung, grob umrissene Wesenszüge, soziales Umfeld, berufliche Tätigkeit und private Aktivitäten, Familienbande und Freundschaften, Gruppenzugehörigkeiten, der Ruf, das Engagement?
Wer bin ich über diese sicherlich richtigen, aber dennoch konstruierten und täuschenden Charakterisierungen hinaus? Ich bin ganz und gar ich . Und dieses Ich, das unser Reichtum
Weitere Kostenlose Bücher