Das italienische Maedchen
Entscheidungen gefügt. Roberto hatte bestimmt, wo und was sie sangen, und die Rollen ausgewählt, die er wollte, bevor er an sie dachte.
Sie hatte ihre Karriere aufgegeben, nicht nur für Nico, erkannte Rosanna, sondern auch für Roberto. Er hatte eine wunderbare Stimme, doch die hatte sie auch …
Rosannas Puls beschleunigte sich, als ihr einfiel, was sie Stephen angetan hatte. Die einfühlsame, geduldige Liebe, die er ihr so selbstlos geschenkt hatte – was hatte sie ihm dafür gegeben? Nichts. Nein … weniger als nichts. Rosanna zwang sich, der Wahrheit ins Auge zu blicken. Sie hatte ihn benutzt und ihn ohne mit der Wimper zu zucken weggeworfen. Und nicht einmal den Anstand besessen, ihn anzurufen und ihm ihre Entscheidung persönlich mitzuteilen.
Und am allerschlimmsten: Sie hatte ihr Kind im Stich gelassen, obwohl ihr Gefühl ihr sagte, dass etwas nicht stimmte. Ihre Liebe zu Roberto war sogar stärker gewesen als die zu ihrem Sohn.
Als Rosanna die über den Himmel jagenden Wolken betrachtete, begriff sie endlich, dass Luca recht hatte. Ihre Liebe zu Roberto war ungesund und unnatürlich. Sie war tatsächlich besessen von ihm; er veränderte sie und machte sie für alles andere blind.
Wo steckte er jetzt? Er wachte nicht mit ihr über ihren kranken Sohn, sondern stand auf der Bühne, um ein Publikum zu erfreuen.
Und so würde es immer sein.
Rosanna füllte ein Glas mit Wasser, weil sie einen trockenen Mund hatte. Etwas passierte mit ihr, das spürte sie.
Wer war sie? Was war sie?
Sie hasste die Person, zu der sie geworden war.
Wie immer tauchte Robertos Gesicht vor ihrem geistigen Auge auf. Auch daran würde sich nichts ändern, das war ihr klar.
Nach fünfzehn Jahren schien sie plötzlich aufzuwachen.
Die Welt würde sich weiterdrehen. Ihr Leben würde weitergehen, und sie würde glücklich sein.
Ohne Roberto.
Es war möglich.
Zum ersten Mal wusste sie das.
Kurz darauf klingelte das Telefon. Rosanna ging ran.
» Principessa , ich bin’s.«
»Hallo, Roberto.«
»Alles in Ordnung? Du klingst merkwürdig.«
»Mit mir ja, mit Nico nicht.«
Rosanna erzählte ihm ganz ruhig, was passiert war.
»O Gott. Bitte sag, dass das nicht wahr ist.«
»Leider doch. Ich hätte ihn nicht allein lassen dürfen, Roberto. Es war falsch von mir, meinen Gefühlen für dich nachzugeben. Ich mache dir keinen Vorwurf – es war allein meine Schuld.«
»Rosanna, wir kümmern uns gemeinsam um Nico. Er kriegt die besten Ärzte und alles, was er sonst noch braucht.«
»Wann kommst du nach Hause? Ich muss mit dir reden.«
»Ich wünschte, ich wäre schon an deiner Seite, und verspreche dir, innerhalb von achtundvierzig Stunden bei dir zu sein. Es gibt da einige … Dinge, die ich regeln muss.«
Dies war das letzte Mal, dass sie auf ihn warten würde. »Ich muss aufhören«, sagte sie. »Ich bin müde.«
»Rosanna, ist Luca bei dir? Ich möchte mit ihm reden.«
»Nein. Er ist bei Abi in London.«
»Hast du ihre Nummer?«
Sie sagte sie ihm auswendig, ohne zu fragen, warum er sie brauchte.
»Rosanna, bist du sicher, dass alles in Ordnung ist? Du klingst … distanziert.«
»Ja.«
» Ti amo , mein Schatz.«
»Auf Wiedersehen, Roberto.«
Roberto wählte die Nummer, die er notiert hatte, mit zitternden Fingern. Er erkannte die Stimme der Frau am anderen Ende der Leitung sofort.
»Hallo, Abi. Ich bin’s, Roberto Rossini.«
»Hallo, Roberto. Das ist aber eine Überraschung. Rosanna ist nicht hier, sondern zu Hause.«
»Ich weiß. Ich möchte mit Luca sprechen. Dringend«, fügte er hinzu.
»Okay. Bleib dran.« Sie legte den Hörer weg. Zwei Minuten später meldete Luca sich.
»Ja?«
»Luca, tut mir leid, wenn ich störe, aber ich muss dich etwas fragen. Ich habe einen Brief von deiner Schwester Carlotta erhalten. Stimmt es, dass ich Ellas Vater bin?«
Schweigen, bevor Luca antwortete. »Carlotta hat dir das geschrieben?«
»Ja. Wir müssen uns treffen.«
»Ich wüsste nicht, warum«, erwiderte Luca kühl.
»Jemand hat den Brief gelesen und droht, deiner Schwester alles zu verraten. Bitte, Luca, Rosanna zuliebe. Ich bin verzweifelt. Dir würde die Person vielleicht glauben, wenn du ihr sagen würdest, dass es nicht stimmt.«
»Ich werde nicht für dich lügen, Roberto.«
»Das verstehe ich. Aber ich bin dieser Person ausgeliefert. Es muss eine Lösung geben. Rosanna wird mir nicht glauben, dass ich bis jetzt nichts davon gewusst habe. Egal, was du von mir hältst, Luca: Ich liebe sie und möchte
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