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Das Jahr der Flut

Das Jahr der Flut

Titel: Das Jahr der Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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am Ort unserer Kindheit zu sein: Auch wenn es uns nicht immer gefallen hatte, sehnte ich mich dorthin zurück.
    So wird es jetzt wahrscheinlich weitergehen in meinem Leben, dachte ich. Immer auf der Flucht, sein Essen zusammenklauben, auf der Erde hocken und immer dreckiger werden. Ich wünschte, ich hätte ein paar richtige Klamotten, ich hatte ja immer noch das Pfaureiherkostüm an. Ich wollte zurückgehen und sehen, ob es in diesem T-Shirt-Laden noch was gab, was nicht feucht oder verschimmelt war, aber Shackie sagte, das sei zu gefährlich.
    Ich überlegte, dass wir doch alle Sex haben könnten: Es wäre eine nette und großzügige Geste. Aber wir waren alle zu müde, und außerdem waren wir schüchtern. Was an der Umgebung liegen musste − die Gärtner waren zwar nicht körperlich anwesend, aber im Geiste, und Sachen zu machen, die sie nicht gut gefunden hätten, war immer noch genauso schwierig wie mit zehn.
    Wir legten uns schlafen, dicht aneinandergedrängt wie Hundewelpen.
    Als wir am nächsten Morgen wach wurden, stand ein sehr dickes Schwein in der Tür, starrte uns an und schnupperte mit seiner nassen Schneckenschleimnase in die Luft. Anscheinend war es zur Tür reingekommen und durch den Flur spaziert. Als es unsere Blicke sah, drehte es sich um und ging. War bestimmt der Burgerduft, sagte Shackie, das ist eins von den gespleißten Schweinen − MaddAddam kannte sich damit aus − mit menschlichem Hirngewebe.
    »Klar doch«, sagte Amanda, »und studiert nebenbei Physik. Du willst uns doch verarschen.«
    »Das stimmt aber«, sagte Shackie ein bisschen beleidigt.
    »Schade, dass wir kein Spraygewehr haben«, sagte Croze. »Hab schon lange keinen Speck mehr gegessen.«
    »Jetzt reicht’s aber wirklich«, sagte ich mit Toby-Stimme, und wir lachten alle.
    Bevor wir die Wellness-Klinik hinter uns ließen, wollten wir nochmal einen letzten Blick in den Essigraum werfen. Die großen Fässer standen immer noch da, wobei sich irgendeiner mit einer Axt daran versucht hatte. Es roch nach Essig und auch nach Klo: Irgendwelche Leute hatten wohl die Zimmerecke dafür benutzt, und zwar vor nicht allzu langer Zeit. Die Tür zu dem kleinen Schrank, wo früher die Essigflaschen standen, war offen. Flaschen standen keine mehr drin; die Regalbretter waren leer. Aber die hingen in einem seltsamen Winkel, und Amanda ging hin und zerrte daran herum, und das Regal klappte auf.
    »Guckt mal«, sagte sie. »Da ist ja noch ein ganzes Zimmer dahinter!«
    Wir gingen hinein. Ein Tisch und ein paar Stühle füllten fast den ganzen Raum aus. Aber das Interessanteste war das Futon, genau wie die bei den Gärtnern damals, und ein Haufen leerer Büchsen − Sojadinen, Hühnererbsen, getrocknete Gojibeeren. In der Ecke stand ein toter Laptop.
    »Irgendjemand hat noch überlebt«, sagte Shackie.
     
    »Keiner von den Gärtnern«, sagte ich. »Nicht mit ’nem Laptop.«
    »Zeb hatte einen Laptop«, sagte Croze. »Aber der war ja auch kein Gärtner mehr.«
    *
    Ohne genauen Plan verließen wir die Wellness-Klinik. Ich war es, die das AnuYu vorschlug: In dem Ararat, den Toby im Vorratsraum zusammengestellt hatte, war vielleicht noch was zu essen, sie hatte mir den Türcode ja gesagt. Und vielleicht wuchs noch was im Garten. Ich fragte mich sogar, ob sich Toby dort versteckt hatte, aber ich wollte niemandem Hoffnungen machen, also sagte ich nichts davon.
    Wir bildeten uns ein, total vorsichtig zu sein. Nirgendwo war eine Menschenseele zu sehen. Wir gingen in den Heritage Park und wollten zum Westtor des Spa, immer den Waldweg entlang, im Schutz der Bäume − so fühlten wir uns weniger sichtbar.
    Wir liefen im Gänsemarsch. Shackie ging als Erster, dann kam Croze, dann Amanda, dann ich, Oates ging als Letzter. Auf einmal überkam mich ein kaltes Gefühl, ich sah mich um, und Oates war nicht mehr da. Ich sagte: »Shackie!«
    Und dann schlingerte Amanda zur Seite und war nicht mehr auf dem Weg.
    Dann wurde plötzlich alles dunkel, ringsherum war Gestrüpp, kratzig und schmerzhaft. Leute lagen auf der Erde, unter anderem ich, da muss ich dann wohl einen Schlag auf den Kopf bekommen haben.
    Als ich wieder zu mir kam, waren Shackie, Croze und Oates nicht mehr da. Amanda aber schon.
    Über das, was danach passierte, will ich nicht nachdenken. Für Amanda war es schlimmer als für mich.

TAG DES RÄUBERS

Jahr Fünfundzwanzig
     
    Von Gott als Alpha-Räuber
    Gesprochen von Adam Eins
     
    Liebe Freunde, liebe Mitgeschöpfe, liebe Mitsterbliche:
    Vor

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