Das Jahr der Maus
ebenso unbekümmert in diese Gasse zu laufen und sein Leben für Herzog aufs Spiel zu setzen, einen Mann, den er verabscheut und mit Begeisterung piesackt. Das ergibt nicht viel Sinn. Mattison betrachtet die Sache aus dieser und jener Richtung und hat trotzdem keinen blassen Schimmer, was in beiden Fällen in McFlynns Kopf vorgegangen sein mag.
Wahrscheinlich gar nichts, denkt er schließlich. Vielleicht ergeben McFlynns Handlungen nicht mal für ihn selbst einen Sinn.
McFlynn wohnt schon lange genug in dem Haus, um zu wissen, daß von jedem Teamgeist erwartet wird, und selbst wenn man kein Teamspieler sein will, muß man so tun, als wäre man einer. Das Team im Stich zu lassen, wenn es in der Klemme steckt, ist keine gute Methode, dafür zu sorgen, daß man selber Hilfe kriegt, wenn man welche braucht. Andererseits gab es keinen Grund der Welt, warum McFlynn tun mußte, was er für Herzog getan hat, außer vielleicht, daß ihm die Pumpentransport-Episode ein bißchen peinlich war, aber Mattison fällt es schwer zu glauben, daß McFlynn irgendwas peinlich sein könnte.
Also ist McFlynn vielleicht einfach ein unberechenbarer Kotzbrocken, der alles immer so nimmt, wie es gerade kommt. Vielleicht stand ihm der Sinn danach, sich wie ein Scheißkerl aufzuführen, als sie die Pumpe transportiert haben, und vielleicht stand ihm der Sinn danach, den Helden zu spielen, als Herzog im Begriff war, einen schrecklichen Tod zu erleiden. Ich weiß es nicht, denkt Mattison. Und das ist auch vollkommen in Ordnung. Ich weiß es nicht, und ich erteile mir hiermit die Genehmigung, es nicht zu wissen, und zum Teufel damit.
Es ist ohnehin nicht sein Job, den Leuten in den Kopf zu schauen. Er ist kein Seelenklempner, sondern nur ein mit seinen Schützlingen zusammenlebender Betreuer, der immer noch zu sehr mit der Arbeit an seiner eigenen Heilung beschäftigt ist, um sich Gedanken über die mysteriösen Verhaltensweisen seiner Mitmenschen zu machen. Er muß sie nur davon abhalten, sich selbst und den anderen Schaden zuzufügen, solange sie im Haus wohnen. Deshalb hört er auf, über McFlynn und Herzog nachzudenken, und richtet seine Aufmerksamkeit statt dessen auf das Geschehen um sie alle herum, und das ist wirklich ein bißchen absonderlich.
Nachdem sie wie auf dem Herweg durch Azusa und Covina zurückgefahren sind, dann durch Städtchen, deren Namen Mattison nicht mal kennt – zum Teufel, die meisten dieser Orte sehen sowieso gleich aus, und wenn man die Schilder an den Grenzen nicht sieht, weiß man nicht, wo einer aufhört und der nächste anfängt –, befinden sie sich jetzt fast an der westlichen Peripherie der Zone und nähern sich Temple City, San Gabriel, Alhambra, all diesen diversen Flachland-Gemeinden. Hinter ihnen bricht bereits die Dunkelheit herein; es ist fast fünf Uhr an einem Februartag. In der zunehmenden Dunkelheit leuchten die neuen Rauchwolken auf dem Mount Pomona ziemlich spektakulär im feuerroten Widerschein dessen, was heute im Innern dieses Kegels vor sich geht. Ein bißchen südlich von dem großen Vulkan scheint jedoch noch etwas zu passieren, etwas Merkwürdiges, denn dort ist eine grelle Wolke aus blauweißem Licht aufgestiegen. Mattison erinnert sich nicht, schon mal blauweißes Zeug gesehen zu haben. Eine neue Art von Explosion? Rücken sie dem Lavastrom jetzt vielleicht mit Atombomben zu Leibe? Jedenfalls sieht es seltsam aus. Er wird es in den Abendnachrichten erfahren, wenn es so ist. Oder vielleicht auch nicht.
Aus dem Südosten kommt Donnergrollen. Dort scheint ebenfalls eine Masse tektonischer Müll in den Himmel zu fliegen. Er sieht kleine rote Lavapartikel in der Dämmerung leuchten, daneben auch dunkle Wolken, zweifellos Asche und Bimsstein, und wahrscheinlich werden auch ein paar hübsch große Lavabomben in die Luft geschleudert. Und sie geraten auf der Rückfahrt in zwei kleine Erdbeben, einmal, als sie die Fair Oaks in Pasadena entlangfahren, und dann eine Viertelstunde später noch einmal, als sie gerade in westlicher Richtung auf den Ventura Freeway einbiegen. Daran ist nichts Überraschendes; bei all diesem Magma, das unter dem San Gabriel Valley herumgeistert, sind fünf oder sechs kleine Beben pro Tag jetzt die Norm. Aber daß diese beiden so dicht aufeinanderfolgen, ist ein weiteres Anzeichen dafür, daß es jetzt, wo Mattison und seine Crew ihren Einsatz beenden, in der Zone noch heißer hergeht. Mannomann, denkt Mattison. Heiße Zeiten in Magma City.
Draußen in Glendale, wo
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