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Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Titel: Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dittrich Verlag GmbH
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ab, mischte sich knallhart in das Gesülze ein und fragte, ob es in der Nähe noch eine geöffnete Kneipe gebe.
    Hinter der Stirn der Rezeptions-Dame begann es wieder zu arbeiten. Folglich brauchte sie eine Weile, bis dieser Denkprozess abgeschlossen war. Dann sagte sie, sich ihrer momentanen Schlüsselstellung wohl bewusst: »Sie haben Durst, so, so. Ach, wissen Sie was? Ich schließe jetzt das Hotel ab. Kommt sowieso keiner mehr. Und die Gaststube schließe ich auf. Da war der Umsatz heute ziemlich mau. Ein paar Mark mehr in der Kasse können ja nicht schaden, oder? Außerdem hab ich auch einen elenden Durst.« Kichernd und verschmitzt glotzte sie Rupf an, stutzte auf einmal, stellte die Augen schärfer. »Was ist denn mit Ihnen passiert, Herr Rupf? Sie sehen ja so zerzaust aus!«
    Was blieb ihm anderes übrig, als die Geschichte zu erzählen? Lustlos und knapp schilderte er das schreckliche Erlebnis, bestrebt, nach vier, fünf Sätzen damit durch zu sein, doch schon die ersten Worte lösten in der Zuhörerin totale Anteilnahme aus, und als aus den feuchten Augen ein, zwei Tränen schlüpften, beschloss der Sänger – ich sah es ihm an und mich schauderte –, seinen Bericht auszudehnen, mit Details und Pathos vollzustopfen, ohne Rücksicht auf den in mir und Doris hoch und höher wallenden Ekel.
    Die Frau war ihm spätestens jetzt verfallen. War mir zwar unverständlich, aber nicht unlieb, weil dadurch die Aussicht bestand, bis zum frühen Morgen zechen zu können. So gehemmt wie begierig strich sie mit der Hand über seine zerzausten, fettigen Haare.
    Der Gastraum empfing uns arschkalt. Flink torkelte die Frau von Heizkörper zu Heizkörper, um die Regler aufzudrehen. »Wird gleich warm sein.« Dann nahm sie die Bestellungen entgegen. Endlich. Obwohl ich den Moment der Vorfreude durchaus schätzte, wollte ich doch endlich was Akzeptables in mich reinschütten. Meine Mundhöhle kam mir richtig staubig vor. Trotz ihres betrunkenen Zustandes arbeitete die Frau routiniert hinter der Theke, trug das volle Tablett relativ sicher zum Tisch und setzte sich zutraulich zu uns. Sie badete unübersehbar genussvoll im warmen Teich der Vorfreude und versprach sich wahrscheinlich noch unermesslich viel von dieser Nacht. Was den Alkohol betraf, so schien sie nichts von halben Sachen zu halten. In ihren geräumigen Cognac-Schwenker hatte sie eine halbe Flasche Weinbrand gekippt, vor Doris und mir standen Longdrink-Gläser, bis obenhin gefüllt mit Bourbon und je zwei schnell schmelzenden Eiswürfelchen. Dagegen war nichts zu sagen, auch wenn der Bourbon – Pennypacker – nicht auf meiner Bestenliste stand. Der an Leib und Seele verletzte und nun allmählich dank der Fürsorge eines Fans Genesende hatte einen Wodka bestellt und die ganze Flasche bekommen, von neckischem Augenzwinkern begleitet.
    »Prost!«, rief die mollige Frau, die ich auf Anfang vierzig schätzte. »Ich heiße übrigens Lore, falls es jemanden interessiert.« Sie lachte unsicher, fast entschuldigend, als hätte sie schon zu oft erlebt, dass sich keine Sau für sie und ihren Namen interessierte. »Eure Namen kenn ich ja von den Anmeldezetteln«, sagte sie, nach einem guten Schluck vertraulicher werdend, »und ich würde sagen, wir duzen uns.«
    Es gab keine Einwände, und schon stand das Tor zur Kommunikation weit auf. Aber es ging, dank Lore, nur um den Stümper Siegfried Rupf, der sich wohlig von seinem fetten Fan verbal gewissermaßen einen runterholen ließ. Unerträglich, diese durch nichts begründete Eloge: der schöne Siegfried, der talentierte, charmante, kluge Siegfried, der Bär, der Rocker, das Sex-Symbol.
    Mich kotzte das Geschwafel verständlicherweise an. Bei den ersten Sätzen zollte ich Lore aus Dankbarkeit für den strammen Drink und die Gelegenheit, hier sitzen und saufen zu dürfen, den entsprechenden Tribut, wenn auch nur in Form eines steifen Grinsens. Dann war ich endlich besoffen genug, um auf Feinheiten dieser Art scheißen zu können. Als Lore sich dazu verstieg, Siegfried Rupf als Erneuerer des Rock’n’Roll zu preisen, erhob ich mich, von Lore völlig unbeachtet, und steuerte die Jukebox an.
    Hauptsächlich deutsche Schlager, der übliche ungenießbare Brei. Ach, aber da, na also:
Lyin’ Eyes
von den Eagles. Die Rückseite,
James Dean
, fand ich auch nicht schlecht. Dann noch
Do It Again
von Steely Dan, mit
Fire In The Hole
auf der B-Seite. Von Elvis gab’s
In The Ghetto
und
Any Day Now
. Ich drückte alle sechs Stücke, obwohl

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