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Das Jahr, in dem ich 13 1/2 war - Roman

Das Jahr, in dem ich 13 1/2 war - Roman

Titel: Das Jahr, in dem ich 13 1/2 war - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beltz & Gelberg
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ahnungslos. Du hast zwar in Windeseile begriffen, was zwischen Graf und mir abgeht, aber du hast sonst keine Ahnung vom Leben. Du lebst in einer heilen Welt, hast eine tolle Mutter und einen netten Vater. Nirgendwo Frust. Keine Gewalt. Alles ein großer, schöner Frieden. Und ich bin so verdammt ange schissen.« Sie redet immer lauter und schlägt mit der Hand auf die dicke Betonbrüstung. Die Vögel da unten fangen an, aufgeregte Geräusche von sich zu geben. Vielleicht beraten sie, ob sie lieber fliehen sollten? Mir ist das auch zu bunt. Was fällt ihr eigentlich ein? Keine Ahnung vom Leben!
    »Wenn du Carsten meinst, dann liegst du falsch. Er ist nicht mein Vater«, gebe ich zurück. »Mein Vater ist ein schräger Künstler, der sich in der Weltgeschichte rumtreibt. Es ist nicht alles so rosig, wie du es vielleicht siehst!« Ich kann auch laut reden.
    »Tut mir leid. Das hab ich nicht gewusst.«
    Sie dreht sich zu mir um und will was sagen, aber jetzt bin ich dran: »Du baust dir deine Welt einfach so zurecht, wie es dir in den Kram passt.«
    »Ach, was du nicht sagst.« Jetzt klingt sie richtig fies. Sie pustet mir den Rauch ihrer Zigarette ins Gesicht und setzt noch einen drauf: »Jetzt mal ehrlich: Warum gibst du dich mit mir ab? Warum lädst du mich ein? Warum seid ihr so scheißfreundlich zu mir?«
    Was soll ich sagen? Das habe ich mir noch nie überlegt. Ich war einfach froh, eine Freundin zu haben, mehr nicht.
    »Ich dachte, wir könnten Freundinnen sein«, sage ich kleinlaut. Sie steht immer noch so, dass ich ihren Rauch einatmen muss. Ich gehe zwei Schritte zur Seite.
    Plötzlich legt Manu den Arm um meine Schulter und drückt mich und sagt herzlich: »Sei nicht böse. Ich woll te gerade einfach mal gemein sein. Klar sind wir Freundinnen.« Sie wirft die Zigarette weg und tritt die Kippe mit einem energischen Schritt aus.
    Wir gehen weiter. Ich verstehe ihren plötzlichen Stimmungswandel nicht. Aber als sie sich bei mir einhakt und schwungvoll ihren kleinen Rucksack auf den Schultern zurechtrückt und ihre Tasche auf die andere Seite schwingt und neben mir fröhlich zu laufen beginnt, vergesse ich sofort, was eben los war. So bin ich. Ich lass mir wirklich was vormachen. Aber ich genieße es. Ich fühle mich auserwählt. Ich habe endlich eine echte Freundin und die ist auch noch in der Neunten. Vielleicht kann ich besser mit Älteren, weil Mella älter ist als ich oder weil wir so lange mit unserer Mutter allein waren und sie uns eigentlich schon immer so behandelt hat, als wären wir ihr ebenbürtig. So ist sie und so behandelt sie auch alle anderen.
    Und Ulli? Ihr Name blitzt kurz beim Stichwort Freundin auf. Wenn ich an sie denke, fällt mir sofort die Schule ein. Das ist keine günstige Verbindung. Trotzdem habe ich ein schlechtes Gewissen. In dieser Woche habe ich mich nicht ein einziges Mal bei ihr gemeldet. Das ist gemein. Mir wird ganz heiß. Ich schäme mich. Manu merkt was und guckt mich an. Ich lächle, und dann kommt mir der rettende Gedanke, dass Ulli ja beim Skifahren war und erst heute Abend zurück sein wird. Wenn ich sie morgen anrufe, merkt sie nichts von meiner Untreue. Ich bin noch mal davongekommen. Aber seltsam ist das schon, dass ich gerade jetzt fast zwei Freundinnen habe und vorher so lange eigentlich keine richtige. Kann mir das jemand erklären?
    Der Weg durch den dunkler werdenden Wald zieht sich ganz schön hin. Als wir endlich zu Hause ankommen, sind wir geschafft. Meine Mutter macht uns die Tür auf und umarmt mich und Manu.
    »Wir haben auf euch gewartet. Maria ist zwar schon todmüde, aber wir dachten, du freust dich bestimmt, wenn sie mit am Abendbrottisch sitzt«, sagt sie gleich zu Manu.
    Die strahlt und geht zielstrebig ins Wohnzimmer, wo der Tisch gedeckt ist, und tatsächlich kommt Maria gleich angerobbt und hangelt sich an Manus Beinen hoch. Die hebt sie glücklich auf und küsst sie. Ist ja auch süß.
    Auch ich begrüße meine kleine Schwester. Was für ein Wunder, denke ich jedes Mal, wenn ich an ihr rieche. Sie hat vor Müdigkeit schon ganz kleine Augen. Seit sie ein Krippenkind ist, macht sie unheimliche Fortschritte. Sie weint manchmal, wenn wir sie hinbringen, aber wenn ich sie abhole, ist sie fast immer ins Spiel vertieft und dann plappert sie den ganzen Heimweg in ihrem Babykauderwelsch. Das tut sie jetzt auch, während Manu sie im Turmstühlchen anschnallt und sich neben sie setzt.
    »Sie ist schon gefüttert«, sagt meine Mutter. »Du kannst ihr aber gern

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