Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Jahrhundert der Hexen: Roman

Das Jahrhundert der Hexen: Roman

Titel: Das Jahrhundert der Hexen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Dyachenko , Marina Dyachenko
Vom Netzwerk:
Nein, das trifft es auch nicht. Die Liebe ist ein Gefühl, das einen Menschen abhängig macht. Und Hexen ertragen das nicht, das darfst du nie vergessen.«
    Ywha sagte keinen Ton. Die Uhr auf dem Bücherregal, auf Bronze getrimmt, tatsächlich aber aus Plastik, tickte laut in der Stille. Der rote Sekundenzeiger kroch über das Zifferblatt.
    »Ertragen Sie … die Abhängigkeit auch nicht? Lieben Sie deshalb niemanden?«
    Jetzt war es an Klawdi zu schweigen. Recht lange sogar. Ywha wartete ab. Der rote Zeiger vollendete Kreis um Kreis.
    »Weshalb ich eigentlich angerufen habe … Du bist nicht mehr so recht bei der Sache, machst deine Arbeit nur noch halbherzig. Deshalb habe ich etwas, das dich stimulieren soll. Morgen Abend kommt Nasar nach Wyshna … um mit dir zu reden. Hörst du mich?«
    Ihr Herz tat einen Sprung – und dann setzte es aus.
     
    Das Klingeln des Telefons riss Klawdi um halb drei nachts aus dem Schlaf.
    Zehn Minuten später sprang er in den geöffneten Wagenschlag des Dienstwagens, und der klobige Wagen der Stadtreinigung, der langsam am Rand des Fußwegs dahinkroch und die Straßen sauber spritzte, suchte verängstigt vor dem schwarzen Monster mit den abgedunkelten Scheiben Deckung.
    Während der ganzen Fahrt sagte er kein Wort. Vorgestern Abend hatte Klawdi einen Befehl unterschrieben, der die Teilnahme des Großinquisitors an allen operativen Einsätzen sanktionierte, die durch den Ausnahmezustand notwendig wurden. Jetzt, da das schwarze Auto lautlos durch die leeren, gespenstisch beleuchteten Gassen glitt, hatte er den Geruch des brennenden Opernhauses in der Nase. Der verletzte Arm brachte sich durch ärgerliche Unbequemlichkeit ebenfalls in Erinnerung.
    Vorm Eingang zum Nachtclub Trolle blinkten zwei Polizeiwagen mit ihren Blaulichtern. Klawdi schloss die Augen. Er witterte keine einzige Hexe. Ganz schlecht!
    Anstelle des üblichen Türstehers hatte ein mürrischer Polizist vor dem Eingang Posten bezogen. Klawdi hielt es nicht für nötig, ihm seine Dienstmarke zu zeigen. Das tat Kosta, der hinter ihm ging.
    »Bewahren Sie die Ruhe, hier ist die Inquisition.«
    Ein ansprechender Raum, rechts ein Billardtisch, links irgendeine verrückte Konstruktion, vermutlich die Bar. Es wimmelte von Polizisten. Entlang der Wände standen halb nackte Menschen, genauer halb nackte Herren, die Besucher des Clubs. Mit ihren Damen, die sich Gott weiß wie zu bedecken versuchten. Hier war auf einen Tisch achtlos ein schwarzes Abendkleid geworfen worden, dort ein Glas umgestoßen; eine Pfütze aus teurem Kognak hatte sich gebildet, der Alkohol sickerte in den noch wertvolleren Teppich. Auf dem Boden lag irgendein Nichts aus Spitze …
    Stopp. Was war das, da in der Ecke, verborgen von einem Laken? Nein, verborgen von mehreren Laken! Hatte es also auch hier Opfer gegeben …
    Klawdi biss sich auf die Lippe. Er witterte keine Hexe! Aber er verspürte eine unklare Nervosität. Als hielte er Falschgeld in der Hand – wo die Augen ja auch behaupten, es gebe nicht den geringsten Anlass zur Beunruhigung.
    Er wandte sich Kosta zu. Dieser zuckte betreten mit den Schultern.
    »Was ist hier passiert, Chef?«
    Der große beleibte Mann mit dem ausdruckslosen Gesicht war nicht der Inhaber. Er war einfach der Geschäftsführer – ein Posten, den er vermutlich in nächster Zeit los sein würde.
    Eine der Damen weinte lauthals und bat darum, nach Hause gehen zu dürfen. Mit versteckter Schadenfreude untersagten es ihr die Polizisten. Jemand wollte ein verloren gegangenes Brillantcollier suchen, ein anderer fluchte wie ein LKW-Fahrer, aber die meisten standen schweigend an den mit Seide bespannten Wänden. Männer in Smokings, aber mit nackten Beinen, und auch Frauen. Klawdi fing den Blick einer Blondine auf, deren Bekleidung aus einem Tischtuch bestand, das sie vom Tisch gerissen und zum Lendenschurz umfunktioniert hatte. In der Spalte zwischen den großen, gebräunten Brüsten verlor sich ein an einer goldenen Kette baumelndes Goldamulett. Die Dame musste an einem Spezialstrand gelegen haben. Wo sonst bekam man eine derart nahtlose Bräune, der jede bleiche Kontur des Badeanzugs fehlte?
    Klawdi spürte, wie sich sein Körper anspannte, der plötzlich eigene Wege zu beschreiten schien; die Blondine zog einen Mundwinkel zufrieden nach oben.
    Glücklicherweise geriet er in Wut. Und die erwies sich als stärker als jedes fleischliche Verlangen. Der Geschäftsführer fuhr zusammen, als er Klawdis Blick auffing.
    »Die Sache ist

Weitere Kostenlose Bücher