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Das Jahrhundert der Hexen: Roman

Das Jahrhundert der Hexen: Roman

Titel: Das Jahrhundert der Hexen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Dyachenko , Marina Dyachenko
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tun, was mich anwiderte und schmerzte.
    Nichts geschieht einfach so, sinnierte er. Alles hat einen verborgenen Sinn. Und jetzt offenbart sich, warum ich der Inquisition angehöre …
    Mit den blutigen Fingerspitzen berührte er sanft den rechteckigen Gegenstand in seiner Innentasche.
    Schließlich ging er ins Vorzimmer hinüber. An dem schlafenden Hljur vorbeihuschend, kam er durch einen unterirdischen Gang zum kleineren der beiden Parkplätze der Inquisition. Erleichtert aufseufzend ließ er sich auf den Sitz des gewaschenen und frisch überholten Graf fallen, der so grün war wie das Frühlingsgras.
    Klawdi Starsh raste nie.
    Zumindest war er bis heute noch nie gerast.
     
    Und dann ging, sich dem tauben Rhythmus dieser Nacht unterordnend, der Mond auf.
    Ywha passte sich dem Rhythmus ebenfalls an. Es war das einzige Gesetz, dem sie sich jetzt noch fügte. Ihr Körper, ausgebreitet über die ganze Welt, verlangte nunmehr danach, sich wieder zusammenzusetzen. Sie konzentrierte sich wie ein Tier vorm Sprung. Ihre Arme, ihre Augen eilten aus allen Himmelsrichtungen herbei, wenn auch nicht vollständig – obwohl die Welt doch gar nicht so groß war. Schon zuvor hatten sich die Teile, die ihr zugehörten, von Vorgefühlen beschlichen, zusammengefunden und gruppiert. Jetzt galt es nur noch, diesem kolossalen, amorphen Körper Leben einzuhauchen, eine Seele in ihn hineinzulegen. Im Rhythmus bebend, ging Ywha weiter, ließ sich vom Rhythmus vorantreiben, während ihre Gräser hinter ihr raschelten, ihr Mond einen Windzug wahrnahm, ihre Kinder – die Sterne – durch schwarze, zerrissene Wolken auf sie schauten.
    Es spielte keine Rolle, wo sie sich trafen. Das Sakrament würde um Mitternacht vollzogen werden, genau dort, wo das Wesen mit den hochflackernden roten Haaren um Mitternacht sein würde. Unter dessen Füßen in diesem Augenblick sämtliche Straßenpflaster wie im Krampf zuckten. Es spielte keine Rolle, denn sie, die herbeieilten, damit sich ihr Schicksal erfülle, würden intuitiv das Zentrum der Bewegung wittern, den Punkt ihres, Ywhas, Weges, der gleichsam ein in die Erde eingelegtes Tor markierte, zu dem alle unsichtbaren Fäden führten, alle Adern und Schlingen, die sich nicht um ihre Kehle, sondern um ihre Seele legten. Welche Angst sie hatten, zu spät zu kommen! Wie sie liefen, sich die Füße blutig schürften, die Motoren antrieben, durch die Luft jagten, ihr mit allen Kräften, mit allem, was ihnen zu Gebote stand, entgegenstrebten!
    Noch war die Zeit nicht reif. Allzu schwach zitterte noch die Nacht, allzu zögernd noch nahm sie, die Nacht, sie, Ywha, in sich auf. Allzu hoch wehten noch die gelben Banner des Mondes, dieses erschrockenen Mondes, der sich jedoch mit dem Unvermeidlichen abgefunden hatte. Allzu fern, allzu taub dröhnten noch die Trommeln.
    Ywha erschauderte.
    Vor ihr, auf dem Weg, der Linie, von der sie jetzt nie mehr abweichen würde, stand ein Leben, das hier nicht hergehörte. Ein blindes, böses Leben. Das zu schwach war, um sie aus dem Rhythmus zu bringen.
    »Stehen geblieben! Das ist Sperrgebiet! Rühren Sie sich nicht von der Stelle!«
    Ywha brach in schallendes Gelächter aus.
    Ihr Gelächter berührte die Baumkronen, die über der Straße hingen und deren schwarz-weiße Blätter nun herabsegelten. Ihr Gelächter schüttelte ein schweres Armeefahrzeug, das die Straße versperrte, zog es langsam von der Stelle, entblößte auf dem Fahrdamm schwarze Streifen, setzte den Geruch verbrannten Gummis frei, drehte den Wagen um, kippte ihn und warf ihn weg.
    Die Explosion erfolgte dann von selbst. Schreiende dunkle Figuren spritzten in alle Richtungen. Ywha ging weiter und beobachtete, wie sich die Flamme in ein Trauerband aus dickem Rauch einwickelte, wie sie sich von Wipfel zu Wipfel goss, lebte, neu aufzüngelte und sich gen Himmel erhob.
    Sie schritt aus, die Erde mit den Sohlen kaum berührend. Das Feuer legte sich ihr zu Füßen, pulsierte an den Straßenrändern und stand reglos im Zenit. Sie durchquerte ein fuchsrotes Lagerfeuer, und die Flamme, die vom Anbeginn der Zeiten ihre Kinder verschlang, wagte es nicht, an ihren aufgestellten Feuerhaaren zu lecken.
    Sie ging weiter. Schwarzer Rauch wob sich in die Nacht hinein und wurde zu einem Teil der Prozession.
    Es gab keine Zeit mehr. Es gab nur noch feine Membranen von Sekunden, die sie, strikt dem Rhythmus folgend, zerriss. Eine Minute später – vielleicht auch eine Stunde – bemerkte sie vor sich eine weitere Absperrung. Ihre

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