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Das Jahrhundert der Hexen: Roman

Das Jahrhundert der Hexen: Roman

Titel: Das Jahrhundert der Hexen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Dyachenko , Marina Dyachenko
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3. Ich wollte rudern …«
    »Ach ja? Das Wasser ist noch gefroren, Junge. Eishockey könntest du spielen …«
    Daraufhin sollte Starsh tunlichst in Pein vergehen. Er sollte unter dem hartnäckigen Blick erröten und erbleichen, sich tröpfchenweise die schreckliche Wahrheit aus der Nase ziehen lassen.
    Und wollte er tief in seinem Innern denn nicht auch gestehen? So wie man essen oder trinken will?
    Ihm kam entgegen, dass er jünger aussah, als er war. Der Tschugeist wusste, dass kein Junge unter einem solchen Blick zu lügen vermochte. Selbst ein Erwachsener würde da zusammenbrechen.
    Mit den Augen klappernd, mimte Klaw den Aufgewühlten. Er würde doch nur den üblichen Kram erledigen … das Haus sauber machen, die Rettungswesten flicken … sämtliche Schlösser überprüfen … Im letzten Jahr war der Kühlschrank aus dem Haus des Trainers gestohlen worden … und einen offiziellen Objektschützer gebe es eben nicht!
    »Kommst du allein her? Oder triffst du hier vielleicht jemanden? Eine Freundin?«
    Er schüttelte den Kopf, bis seine Haare unter der Kapuze herauslugten. Aber nein, niemand wolle mit ihm in diese Einöde, ihm gefalle ja gerade, dass er hier ganz ungestört sei …
    »Wann bist du das letzte Mal hergekommen? Wer ist dir hier begegnet? Wen hast du gesehen?«
    Bereitwillig gab er Auskunft: Da waren schon einige Leute. Ein Junge habe sich hier herumgedrückt, vermutlich wollte er etwas klauen. Dann die Angler. Die lüden ihn immer auf einen Tee ein.
    Die Tschugeister fielen ihm grob ins Wort und verlangten, er solle den Mund halten, kehrt machen und verschwinden. Und sich hier nie wieder blicken lassen. Allem Anschein nach treibe sich hier nämlich eine Njawka rum!
    Mit hastigen Schritten verließ er das Sportzentrum, nicht ohne sich immer wieder umzudrehen. Auf halbem Weg zur Haltestelle schlug er sich in ein junges Tannenwäldchen, hockte sich auf die trockenen kalten Nadeln und zündete sich eine Zigarette an.
    Sie wollten Djunka umbringen. Sie zwingen, noch einmal zu sterben. Djunka jedoch war verschwunden. Keine Ahnung, warum, aber er wusste genau, dass sie in Sicherheit war, dass ihr keine Gefahr mehr drohte.
    Diesmal.
     
    Ywha lag auf dem Sofa, eine weiche Decke unter sich. Sie lag da, drückte die Schulter gegen die Wand, hatte sowohl ihren Pullover als auch ihre abgetragenen Hosen noch an. Priw saß zu ihren Füßen, seine lässige Haltung hätte sie beruhigen sollen. Ruhe und Freundlichkeit strahlte er aus, keinen Druck. Trotzdem brachte Ywha es nicht fertig aufzustehen, solange Priw da war. Vielleicht unterstellte sie ihm völlig zu Unrecht gemeine Absichten. Einfach aus Angst. Aber wovor sollte sie sich fürchten – da sie doch keine Njawka war?
    »Wovor hast du Angst?«, fragte Priw leise, als habe er ihre Gedanken gelesen.
    Sie drehte den Kopf auf dem Kissen herum. »Vor nichts …«
    Die Tropfen, die sie, sich seinem sanften Befehl beugend, eingenommen hatte, waren tatsächlich weder eine Droge noch ein Schlafmittel gewesen, sondern nur irgendwelche Kräuter, eine angenehm entspannende Mischung. Doch im Grunde war ihr das egal. Es gefiel ihr, sich in seiner Macht zu fühlen. Hündische Ergebenheit und friedliche Ruhe – ja, ohne Frage, diese Art der Ruhe tat ihr gut.
    »Willst du dich waschen?«
    Ywha hob die schweren Lider. »Hä?«
    »Willst du duschen? Du bist dreckig wie ein Ferkel …«
    »Ja.« Ywha rang sich ein Lächeln ab. »Wenn die Fische … im Bad … dann nicht erschrecken.«
    Zu spät wurde ihr der Hintersinn des Satzes bewusst. Entsetzt errötete sie. Es brannte, bis ihr die Tränen kamen.
    »Das sind ganz normale Fische«, erwiderte Priw amüsiert. Seine Hand ruhte auf Ywhas Bauch.
    Ywha fing an zu weinen. Sie wusste nicht, welche ihrer Sorgen das auslöste. Vermutlich war es der Kummer darüber, nie einen friedlichen Morgen mit Geschirrklappern erleben zu dürfen. Darüber, dass die Sonne niemals durch das offene Fenster hereinfallen und Nasar sie nie zum Frühstück rufen würde. Ihr Leben hätte Ywha für einen solchen Morgen gegeben. Für einen kurzen Augenblick dieses viel belachten Glücks. Dafür, so zu sein wie alle.
    »Ich bin eine Hexe«, erklärte sie Priw, indem sie die Tränen herunterschluckte.
    »Deshalb brauchst du doch nicht zu weinen«, erwiderte er ernsthaft.
    »Du … Ekelst du dich nicht vor mir? Ich widere dich nicht an?«
    Priw betrachtete sie so lang und aufmerksam, dass sie sich am liebsten unter die plüschige Decke verkrochen

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