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Das Jahrhundert der Hexen: Roman

Das Jahrhundert der Hexen: Roman

Titel: Das Jahrhundert der Hexen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Dyachenko , Marina Dyachenko
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Frage wegzuscheuchen.
    Was, wenn unter dem Stein …
    Lag sie dort? Oder war das Grab leer?
    Und wenn sie dort lag?!
    Der Tag war erstaunlich kalt, seltsam kalt für den Frühling. Fröstelnd schlang sich Klaw die Arme um die Schultern und sprang herum, um die Feuchtigkeit loszuwerden, die aus der Erde in die Schuhe kroch.
    Diese Diesellok würde er bis an sein Lebensende nicht vergessen. Selbst über die Schienen einer Straßenbahn würde er nie wieder gehen. In allen parallel nebeneinander gezeichneten Linien würde er fortan Gleise sehen – die ihn jedes Mal erzittern lassen würden.
    Wo war Djunka? Hier, unter dem schwarzen Stein? Oder dort, in der fest verschlossenen, stickigen kleinen Wohnung? In die er, ob er wollte oder nicht, zurückkehren musste.
    Drei Tage lang lastete nun schon dicker, undurchdringlicher Nebel über dem Boden, der alle Geräusche schluckte.
    Ein unglücklicher Zufall war unangenehm. Zwei unglückliche Zufälle waren …
    Warum sollte es eigentlich nicht zwei solcher Zufälle hintereinander geben? Wie viele Menschen sterben jährlich unter den Rädern eines Güterzugs oder einer Eisenbahn? Vor allem im Nebel. Oder betrunken.
    Klaw kratzte sich den Kopf. Gestern, nachdem er ins Wohnheim zurückgekommen war, hatte er wortlos eine ganze Flasche Kognak getrunken, die ursprünglich für ein Fest gedacht gewesen war. Juljok Mytez, der ihn mit der leeren Flasche erwischt hatte, konnte es nicht fassen. Es tat ihm um den edlen Tropfen leid, aber auch um …
    Zu allem Überfluss hatte der Alkohol nicht einmal Wirkung gezeigt. Selbst angetrunken hatte sich Klawdi nicht gefühlt. Gut, seine Beine waren butterweich gewesen, aber sein Kopf war doch beschämend klar geblieben. Unablässig war ihm darin ein einziger Gedanke herumgegangen.
    Doch den würde Klaw niemals laut aussprechen. Mehr noch: Der Gedanke an sich schien ihm schon ein Verbrechen zu sein.
    Und wenn er sich bei ihrem Ausflug einen angetrunken hatte? Und sich jetzt bloß nicht mehr daran erinnerte? Vielleicht hatten sie, Djunka und er, sich wärmen wollen, als sie am Lagerfeuer gesessen hatten, von innen sozusagen?
    Nein. Heute war es kalt, aber als sie den Ausflug unternommen hatten, war es warm gewesen, frühlingshaft und angenehm. Und sein Kopf war auch klar gewesen.
    Die steinerne Djunka blickte ihn tadelnd an. Als wolle sie sagen: Das denkst du von mir? Von mir?
    »Hast du …«, flüsterte Klaw fast tonlos.
    Auf dem schwarzen Stein ließ sich furchtlos eine kugelrunde, fröhliche Meise nieder.

6
    Kurz bevor Klawdi den Platz des Siegreichen Sturms erreichte, blinkte das rote Licht in seinem Auto auf. Der Notruf. Klaw hatte es allen untersagt, ihn während einer Fahrt zu benachrichtigen, falls die Sache warten konnte. Manchmal träumte er nachts von diesem roten Lämpchen, wie es sein perfides, stechendes Alarmsignal aussandte.
    »Nieder mit dem Abschaum«, erklang die vor Aufregung schrille Stimme des Kollegen aus der Zentrale. »Ein Signal. Von der Gräfin. Ein rotes Signal.«
    »Stellen Sie durch«, verlangte Klaw sachlich. »Woher kommt der Anruf?«
    »Aus der Oper.«
    »Schickt eine bewaffnete Einheit hin. Ich bin in zehn Minuten da.«
    Er legte den Hörer nicht auf, sondern warf ihn auf den Beifahrersitz. Mit geschlossenen Augen rief er sich die Karte des Stadtzentrums ins Gedächtnis. Er riss das Steuer herum. Auf dem Rücksitz stöhnte Ywha leise.
    Die Gräfin war Helena Torka. Eine Informantin konnte sie per definitionem nicht sein. Klawdi hatte denn auch nie einen Tipp von ihr erwartet. Den Decknamen hatte er ihr bloß so gegeben, der Ordnung halber. Ein rotes Signal von ihr bedeutete, dass sie einen Panikanfall erlitten hatte.
    Die junge Frau auf dem Rücksitz sagte kein Wort. Klugerweise enthielt sie sich obendrein jeder Frage.
    »Wir fahren in die Oper«, brummte Klawdi.
    Die Räder holperten über Kopfsteinpflaster. Kurz darauf folgte wieder Asphalt. Klawdi überholte geschickt erst eine nilpferdgroße Limousine, anschließend einen Laster, dann …
    »Ich habe immer gedacht, Sie seien ein schlechter Autofahrer«, flüsterte Ywha.
    Klawdi verringerte die Geschwindigkeit, damit die Ampel vor ihm von Rot auf Grün umspringen konnte. Anschließend gab er Gas und huschte zweimal bei Gelb rüber. Schon sahen sie das massive, elfenbeinfarbene Opernhaus im pseudoklassizistischen Stil, dessen Fassade ein kupfernes Stadtwappen schmückte, in voller Größe vor sich. Vorm Haupteingang ballte sich eine Menschentraube. Bis zum

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