Das Jesus Video
tippte.
»Das ist unfaßbar«, murmelte er schließlich, sah auf und suchte Judiths Blick.»Weißt du, was das ist?«Sie schüttelte stumm den Kopf.
»Vaters Gang.«
Stephen sah Judith regelrecht bleich werden. Auch George Martinez musterte sie besorgt von der Seite.»Ach was«, krächzte sie schwach.»Du mußt dich irren.«
»Nein. Ich bin mir sicher. Das ist er. Und das bedeutet, Vater hatte recht.«
Stephen hob die Hände.»Was für ein…«
»Yehoshuah, das muß etwas anderes sein. Du siehst Gespenster.«
»Darf ich mal erfahren…«
»Ich sehe Gespenster? Ich sehe einen Gang. Einen Gang, der südlich der Tempelmauern beginnt und darunter hindurchführt. Und der zwei Haken schlägt. Das ist genau die Beschreibung, die Vater gegeben hat.«
»Darf ich…«
»Ach, Unfug. Du willst dich bloß mal wieder als Papasöhnchen aufspielen.«
»Ich? Das ist ja lächerlich. Du bist derart versessen darauf, dein negatives Bild von Vater aufrechtzuerhalten, daß du sogar offensichtliche Beweise…«
»Ein krakeliger Strich mit zwei Haken! Das ist ja wohl kaum als Beweis zu bezeichnen.«
»Wir können uns die ursprünglichen Bilder ansehen. Der Strich ist schließlich nicht aus Zufall hier.«
»Die Bilder. Na klar. Als ob du auf denen irgendwas sehen könntest.«
»Jetzt lenkst du ab. Du weißt genau, daß das völlig unerheblich…«
Stephen faßte die beiden am Arm.»Hey, hey, hey«, machte er und schaffte es tatsächlich, sie zu unterbrechen.»Bleibt cool, Freunde. Erzählt lieber nochmal langsam und zum Mitschreiben, wovon hier eigentlich die Rede ist. Nein, Judith, nicht du. Yehoshuah.«
Yehoshuah wühlte in seinen krausen Haaren und sah sehr professorenhaft aus dabei.»Ich glaube, daß das hier ein Gang ist, den unser Vater öfter erwähnt hat.«
»Öfter ist gut gesagt«, maulte Judith.»Er war besessen davon.«
»Er hat vor etwa zwanzig Jahren beim Studium alter Texte Hinweise entdeckt, daß im Mittelalter Mitglieder einer Sekte in jahrelanger Arbeit einen Stollen aus der Davidsstadt bis unter den Tempelberg getrieben haben. Der Beschreibung nach könnte das dieser Stollen sein. Könnte, wie gesagt — man ist dem Hinweis unseres Vaters nie nachgegangen.«
»Tatsächlich?«wunderte sich Stephen.»Warum das?«
»Wenn du unseren Vater kennen würdest«, meinte Judith,»würdest du nicht fragen.«
»Er ist, nun ja, mitunter etwas schwierig im Umgang«, gab auch Yehoshuah zu.»Aber andererseits wimmelt es in Jerusalem von interessanten Funden. Man kann beinahe in jedem Keller graben und etwas Wertvolles finden. Ginge es nach den Archäologen, würde man die gesamte Stadt absperren, alle Leute woanders ansiedeln und dann die nächsten fünfhundert Jahre alles Stein für Stein abtragen. Es gibt eine Warteliste für Ausgrabungsprojekte im Bereich der Stadt. Seines war einfach nicht wichtig genug.«
Stephen sah auf die Karte hinab, die vor ihnen auf dem kleinen Tisch lag. Da war es wieder, das Gefühl, als werde die Zeit durchlässig, als fühlten seine Hände schon etwas, das in der Zukunft lag. Die Kamera. Es existierte ein Gang, der hinter die Klagemauer führte. Das war alles, was zählte. Wenn überhaupt, dann würden sie über diesen Gang an die Kamera gelangen.
Er sah George Martinez an, der ihrer Diskussion mit großen Augen gefolgt war, dann Yehoshuah, hoffend, daß der mitspielte.»George«, begann er dann,»meinen Sie, Sie könnten uns eine Kopie dieser Karte mitgeben? Ich habe das Gefühl, sie könnte wesentlich dazu beitragen, daß wieder etwas Harmonie in diese Familie einkehrt.«
Judith wollte protestieren, begriff aber im nächsten Augenblick, worauf er hinauswollte, und schwieg.
»Oh, kein Problem«, versicherte der Mexikaner aus Bozeman, Montana.»Das war nur die Kopiervorlage für eine Folie, die mein Partner bei der Präsentation für Mister Kaun brauchte. Sie können sie mitnehmen, wenn Sie wollen. Wir haben sie ohnehin im Computer gespeichert.«
»Danke«, sagte Stephen, nahm die Karte und reichte sie Yehoshuah:»Hier. Für deinen Vater.«
Yehoshuah hatte auch kapiert. Er nahm das Papier mit erstaunlicher Gelassenheit, faltete es zusammen und meinte:»Das wird ihn begeistern.«
»Einen Moment lang«, lachte George Martinez,»dachte ich schon, wir hätten etwas Sensationelles entdeckt.«
»Stell dir das nicht zu einfach vor«, warnte Yehoshuah, während sie sich durch den zähen Stadtverkehr, in dem jeder hupte und ausscherte, wie es ihm paßte, zurück zum Hotel kämpften.»Der
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