Das Jesus Video
Armenspeisung.«
» Armenspeisung?«
»Ja. Wir haben jeden Abend einen offenen Tisch für Arme und Bedürftige. Die Lebensmittel dazu bekommen wir von verschiedenen Supermärkten und Hotels gespendet. Aber wir müssen sie abholen. Dazu brauchen wir den Bus.«
Scarfaro betrachtete ihn, als wäre er ein widerliches Insekt.»Dieser ganze Zirkus fällt bis auf weiteres aus«, verfügte er dann.»Ich brauche Ihre Energien für andere Aufgaben.«
»Wie? Aber wir können doch nicht…«
»Pater Lukas!«zischte der Hagere.»Ihr Bischof hat mir Ihre vollste Unterstützung zugesagt, und Sie widersprechen mir nun schon zum zweiten Mal.«
»Die Armen sind auf uns…«
»Ihre Armen sind mir scheißegal, Pater. Es wird Zeit, daß Sie über Ihren höchst beschränkten Suppentellerhorizont hinaussehen. Hier stehen die Interessen Roms auf dem Spiel. Die Interessen der Heiligen Christlichen Kirche. Und dabei geht es um mehr als ein paar gefüllte Bäuche. Um unglaublich viel mehr.«
Lukas hielt mit Mühe dem Blick des Kirchenmannes stand.»]esus sprach: Es jammert mich des Volkes, denn sie sind nun schon drei Tage lang bei mir und haben nichts zu essen; und ich will sie nicht ohne Speise von mir lassen, auf daß sie nicht verschmachten auf dem Wege«, zitierte er die nächstbeste Bibelstelle, die ihm zu diesem Thema einfiel.»Matthäus 15, Vers 32.«
Ein dünnes, abfälliges Lächeln umkräuselte Scarfaros Lippen.»Ihr Kleingläubigen, was bekümmert ihr euch doch, daß ihr nicht Brot habt? Versteht ihr denn nicht?«versetzte er, ohne zu zögern.»Matthäus 16, Vers 8. Sehen Sie? Selbst Jesus setzte Prioritäten.«
Idiot, dachte Pater Lukas. Was wäre schon dabei gewesen, wenn er sich einfach einen Mietwagen genommen hätte? Geld konnte für einen wie ihn doch bestimmt kein Problem sein.
Er mußte mit Bruder Geoffrey sprechen. Sie mußten irgend etwas organisieren. Den offenen Tisch irgendwoanders abhalten, ohne daß Scarfaro etwas davon mitbekam. Ein anderes Fahrzeug finden, ein paar Helfer aus der Nachbarschaft engagieren…
Scarfaro war die Diskussion leid. Mit einer wegwerfenden Handbewegung meinte er:»Wie auch immer. Wir nehmen Ihren Bus. Wenn unsere Mission beendet ist, können Sie Ihre… Armenspeisung von mir aus wieder einführen.«
Pater Lukas sah ihm mit hilfloser Wut im Bauch nach, wie er davonging. Die Tür zum Büro stand halb offen, das hatten sie auch schon besetzt.
Er war sich zu gut gewesen, nichts weiter zu vollbringen im Leben, als unbedeutenden, ungebildeten armen Leuten jeden Abend eine warme Mahlzeit zu organisieren. Nun hatte er die Quittung. Für den hellsten Moment seines Lebens hat-te er es gehalten, als er in Rom angerufen und Bericht erstattet hatte — dabei war es Hochmut gewesen, der jetzt vor dem Fall kam.
Recht geschieht mir, dachte er und machte sich auf die Suehe nach Bruder Geoffrey.
Der Polizeipräsident und sein Besucher spazierten langsam über den Rasen. Sie sprachen miteinander — weit und breit war niemand nahe genug, um hören zu können, worüber-aber immer wieder gab es lange Perioden, in denen sie nachdenklich schwiegen.
Meistens war es der Besucher, ein teuer gekleideter Mann Mitte Vierzig, der das Schweigen brach.
»Der Skandal mit dem toten Barmädchen letztes Jahr… Wir haben Sie herausgehalten. Meine Leute hatten wirklich gute Bilder — aber ich sagte mir, wem ist damit gedient, wenn wir sie veröffentlichen? Sie sind ein guter Mann, ohne Zweifel Aber bedauerlicherweise neigt die Öffentlichkeit dazu, Men-sehen nach ihren Schwächen zu beurteilen anstatt nach ihren Stärken.«Er schüttelte bekümmert den Kopf.»Als ob wir alle Führungspositionen mit Heiligen besetzen könnten!«
Der Polizeipräsident sah ihn unter buschigen Augenbrau en hervor düster an.»Sie versuchen nicht zufällig, mich zu erpressen?«
Er sah in eine Miene, die ein Bild der Unschuld bot.»Sie erpressen? Um Gottes willen! Nein — alles, was ich versuche, ist, die Zukunft dieses jungen Mannes zu retten. Ich kenne diesen Jungen. Ich weiß, daß es ein einmaliger Fehltritt war. Alles, was ich will, ist, mit ihm reden. Wenn er zurückgibt, was er mir gestohlen hat, soll die Sache vergessen sein. Wozu ein junges Leben mit einer Vorstrafe belasten? Ich stelle im Prinzip genau die gleiche Frage: Wem ist damit gedient, wenn ich offiziell Anzeige erstatte? Sagen Sie es mir.«
Der Polizeipräsident seufzte.»Also gut. Ich werde sehen, was ich tun kann.«Er streckte die Hand aus, und ein Zettel,
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