Das Jesus Video
mit dem Putzzeug zu gelangen. Am hinteren Ende der Kammer gab es eine selten benutzte Tür zu einem Nebenraum der Sakristei, der nur ein schmales, fast immer gekippt stehendes Fenster hatte.
Pater Lukas kam sich unsagbar albern dabei vor, aber er drückte sich an die Wand und spähte vorsichtig hinaus. Scarfaro stand mit dem Rücken zu ihm und verdeckte den Mann, mit dem er sprach.
»Wo immer er hingeht«, hörte er Scarfaro dem Mann einschärfen,»und was immer er tut. Alles, was Sie in Erfahrung bringen können.«
Der Mann nickte und bewegte sich ein Stück zur Seite. Jetzt konnte Pater Lukas die Aufschrift auf seinem Overall lesen: Kaun Enterprises.
»Sie meinen, die Franziskaner haben nach diesem Spiegel gesucht?«
»Zweifellos.«Der alte Mann hustete rasselnd, während er das Dokument in seine Mappe zurücktat.»Aber Jerusalem war in der Hand der Sultane, der Tempelberg unzugänglich. Der einzige Weg, den sie sahen, war, einen Tunnel zu graben, durch den Fels, Hunderte von Metern. Sie haben fast dreißig Jahre dafür gebraucht.«
»Und?«fragte Stephen mit trockener Kehle.»Haben sie den Spiegel gefunden?«
Yehoshuahs Vater faltete die Mappe wieder zusammen und begann umständlich damit, die Schnur wieder darum herum zu wickeln, mit der sie wahrscheinlich Jahrzehnte verschlossen gewesen war.»Es ist eine Legende, junger Mann. Die Christenheit ist reich an solchen Legenden. Die Geschichte um den heiligen Gral etwa, den Kelch, aus dem Jesus beim letzten Abendmahl getrunken haben soll. Legenden sind Geschichten, die von Mund zu Mund weitergetragen werden. In gewisser Weise verselbständigen sie sich. Ein Literaturwissenschaftler fragt danach, was Menschen in diesen Legenden sehen, daß sie sie weitergeben.«
Stephens Gedanken rasten. Er sah Yehoshuah an, in dessen Augen es eigenartig funkelte.»Man weiß also nicht, was aus den Mönchen wurde?«
»Nicht wirklich. Es gibt Hinweise. An einer Stelle heißt es, die meisten der Mönche, die in dem Haus gelebt hatten, als es aufgegeben wurde, seien in die Wüste gegangen, wo sie ein Kloster errichteten und sich später vom Orden lossagten.«
»Und wo war dieses Kloster?«
Der alte Mann erhob sich wieder, ächzend und schnaufend.»Oh, es existiert immer noch. Ein kleines Wunder. Zehn oder zwanzig alte Männer leben dort.«Er nahm die Mappe und schlurfte mit gichtigen kleinen Schritten zurück zum Schrank.»Dort ist der Negev auch heute noch Wüste. Unvorstellbar, wie sie das machen.«
Stephen fand die Umstände, unter denen Yehoshuahs Vater hier in diesem Loch von einem Zimmer lebte, kaum weniger erstaunlich.»Und wo genau im Negev?«
»Ich war nie dort«, erwiderte er und zog die Schranktüren auf.»Ich konnte es nie leiden, irgendwohin zu gehen, um etwas herauszufinden. Am liebsten habe ich in Bibliotheken und Archiven geforscht.«Er bückte sich schwerfällig, um die Mappe in einen dunklen Winkel des Schrankes zu schieben.»So. Wahrscheinlich bleibt sie da jetzt liegen, bis ich sterbe. Und dann wirft sie jemand weg. Was für eine Narretei.«
Stephen spürte, wie sein Knie anfangen wollte, nervös zu wippen. War der Alte so stur, oder tat er nur so?»Aber Sie wissen, wo das Kloster zu finden ist?«
»Vergiß dieses Kloster, mein Sohn. Alte Männer, die nicht einmal wissen, welches Jahr wir schreiben. Die meisten haben schon dort gelebt, als der Staat Israel noch ein vager Traum war.«
Stephen warf Yehoshuah einen hilfesuchenden Blick zu. Der seufzte leise.
»Vater«, sagte er,»sag uns bitte einfach, wo dieses Kloster ist.«
Der alte Mann tat, als hätte er ihn nicht gehört, wackelte zu seinem Stuhl zurück, ließ sich mit knirschenden Gelenken darauf nieder, lehnte sich zurück und wühlte dann ausgiebig mit einer Hand in seinem mächtigen grauen Bart. Stephen kam zu Bewußtsein, daß er den Atem angehalten hatte, und er holte tief Luft.
»Be’er Sheva«, sagte der greise Talmudist schließlich.»In Be’er Sheva war ich einmal. Erinnerst du dich, Yehoshuah? Wahrscheinlich nicht. Du warst noch ein kleines Kind. Von Be’er Sheva aus geht es südlich, weit südlich. Von weitem sieht es aus wie eine Ruine auf einer unzugänglichen Bergspitze. Ich weiß nicht mehr, wie der Berg heißt und ob er überhaupt einen Namen hat, aber er erhebt sich am Westende des Wadi Mershamon. Man braucht eine gute Karte. Auf den meisten ist der Wadi Mershamon nicht eingezeichnet.«Er langte wieder nach seinem Buch und legte es zurück in den Lichtkegel seiner müden
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