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Das Jesus Video

Das Jesus Video

Titel: Das Jesus Video Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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ein Schrank, weiter nichts. Das einzige Fenster war unzugänglich hoch angebracht, kaum größer als ein Handtuch und vergittert.
    Yehoshuah sagte etwas auf Hebräisch.
    Eine unwirsche, polternde Stimme antwortete ihm auf Englisch.»Wie oft soll ich dir noch sagen, daß ich diese Worte nur noch im Gottesdienst spreche? Sprich Englisch mit mir, oder lerne Jiddisch!«
    Eisenhardt beobachtete Kaun. Der saß da, die Arme gelassen verschränkt und scheinbar die Ruhe selbst, und tat, als folge er der Diskussion, die Professor Goutiere und Shimon Bar-Lev führten. Doch die Finger des Medienzaren trommelten unruhig gegen den Ellbogen des anderen Arms, und seine Augen sahen nachdenklich in weite Ferne.
    »Wo sind eigentlich«, fragte Kaun dann unvermittelt,»die Unterlagen von Roberts und Martinez abgeblieben?«
    Alle sahen ihn an. Keiner verstand die Frage.
    »Die Sonartomographien«, half der Millionär nach.»Die Untersuchung des Tempelbergs.«
    Professor WilfordSmith räusperte sich.»Wenn ich mich recht entsinne, liegt die Mappe bei den anderen Sachen in der Teeküche.«
    Kaun gab Ryan einen kurzen Wink. Der stapfte gehorsam in die kleine Küche, die sich an den Besprechungsraum anschloß, und kehrte gleich darauf mit einer dicken Mappe zurück, die er vor Kaun hinlegte.
    Die Debatte war erst einmal abgewürgt. Alles verfolgte gespannt, wie Kaun die Papiere in der Mappe durchblätterte. Schließlich hielt er eine Overheadfolie gegen das Licht, machte»Ha!«, knipste den Projektor an und legte die Folie darauf.
    »Vielleicht hätten wir Doktor Roberts doch ausreden lassen sollen«, meinte er dann, als sei es ein gemeinschaftlich getroffener Entschluß gewesen, den Vortrag des Wissenschaftlers abzubrechen.»Hier — was ist das? Das ist doch ein Gang, der direkt hinter der Klagemauer verläuft, oder?«
    »Hinter der Westmauer«, korrigierte Bar-Lev automatisch.
    »Meinetwegen. Aber es ist ein Gang.«
    »Hmm.«Der israelische Archäologe beugte sich über die Zeichnung, die auf der Leuchtfläche des Overheadprojektors lag.»Aber das stimmt nicht. Es gibt zwar einen Gang hinter der westlichen Tempelmauer, aber der führt vom Wilson-Bo-gen aus nach Norden — nicht hinter den geheiligten Abschnitt.«
    »Diese Zeichnung beruht auf sonartomographischen Messungen«, erwiderte Kaun.»Das heißt, dieser Gang existiert zweifelsfrei. Nach dem, was Sie sagen, müssen wir annehmen, daß er bisher einfach noch nicht entdeckt worden ist.«
    Bar-Lev rieb sich das Kinn. Professor WilfordSmith trat neben ihn und studierte ebenfalls die Zeichnung auf der Folie, als reiche es nicht, daß sie an die Wand projiziert wurde. Gemeinsam identifizierten sie die Linien und geschwärzten Flächen, indem sie einander Namen wie»Bab es-Silsileh«zuraunten oder»die Ställe Salomons«oder»Zisterne 36«.
    »Möglicherweise«, meinte Professor WilfordSmith schließlich.»Es könnte sich tatsächlich um einen bislang nicht entdeckten Gang oder Schacht handeln.«
    »Aha«, rief Kaun mit unverhohlenem Triumph.»Korrigie ren Sie mich, wenn ich mich irre — aber würde dieser Gang nicht zwei Fragen auf einmal beantworten? Erstens die Frage, wie der Zeitreisende die Kamera in ihr Versteck gebracht hat.«Er sah sich um, als warte er auf Beifall.»Und zweitens die Frage, wo die Kamera heute liegt.«
    In Ermangelung anderer Sitzgelegenheiten saßen sie auf dem Bett. Der Stuhl, auf dem Yehoshuahs Vater saß, war der einzige in dem Raum. Gut möglich, daß er sogar bequemer war als das harte Bett und seine unebene, knubbelige Matratze.
    Allmählich gewöhnten sich die Augen an das dämmrige Licht. Stephen versuchte, das Aussehen des Mannes zu erfassen, der da hinter dem Tisch mit der Lampe und dem Buch darauf saß und sich immer noch nicht vom Fleck gerührt hatte. Er sah eine massige, gebeugte Gestalt mit einem geradezu patriarchalischen Vollbart, der einem biblischen Propheten zur Ehre gereicht hätte, und diese Gestalt hielt immer noch das Buch aufgeschlagen, während sie den Erklärungen Yehoshuahs kommentarlos lauschte. Schräg hinter dem alten Mann entdeckte Stephen ein niedriges Regal, auf dem eine Waschschüssel und eine Wasserkaraffe standen. Auf dem Nachttisch, neben dem Stephen saß, lag ein bröckeliges Stück Brot. Ansonsten war das winzige Zimmer karg und kahl wie es heutzutage nicht einmal Gefängniszellen waren — kein Teppich, kein Bild an der Wand, kein persönlicher Gegenstand.
    »Der Gang also«, grummelte die Stimme schließlich, nachdem

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