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Das Jesus Video

Das Jesus Video

Titel: Das Jesus Video Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Yehoshuah geendet hatte.»Warum interessiert euch dieser Gang?«
    »Wir wollen hindurchtauchen«, sagte Stephen. Es war Zeit, sich in das Gespräch einzuschalten.
    »Hindurchtauchen? Laßt es. Das ist schon einmal versucht worden; es ist zu schwierig.«
    »Seither sind fünfundzwanzig Jahre vergangen«, entgegnete Stephen,»und die Technik hat sich weiterentwickelt. Es ist mit der heutigen Ausrüstung wesentlich leichter als es damals war. Man muß es nur tun.«
    Pause. Dann, gleichmütig:»Na gut. Dann tut es.«
    Stephen beugte sich vor und faltete unwillkürlich die Hände.»Wir sind eigentlich aus einem anderen Grund hier. Wir haben Ihre Arbeit von 1967 gelesen — das heißt, Yehoshuah hat sie gelesen, ich beherrsche das Hebräische nicht -, in der Sie die Geschichte und den mutmaßlichen Verlauf des Ganges darlegen. Aber Sie sagen nicht, wer den Gang gegraben hat und auch nicht, warum.«
    »Sollte ich das wissen?«
    »Vater, du weißt es«, mahnte Yehoshuah ihn.»Ich erinnere mich, daß du es mir einmal erklärt hast, als ich ein Kind war. Ich weiß nur nicht mehr, was du mir erklärt hast.«
    Nun gab die Hand im fahlen Lichtkegel der Tischlampe das Buch endlich frei, legte es sorgsam zusammen und beiseite.»Das sind alles alte Geschichten. Ich habe mir mein ganzes Leben vergällt mit diesem Gang, meine Kräfte verschlissen in einem halsstarrigen Kampf gegen das wissenschaftliche Establishment… Es interessiert mich heute nicht mehr. Soll es meinetwegen ein Seitenkanal des Hiskia-Tunnels sein, von mir aus.«
    »Vater - du hast gesagt, es sei eine Sekte gewesen, die den Schacht gegraben hat. Was für eine Sekte?«
    »Ich habe das alles einmal gewußt, aber es ist bedeutungslos geworden. Es hat in irgendwelchen Büchern gestanden, aber die habe ich alle weggegeben.«
    »Aber wen sollen wir denn fragen, wenn nicht dich? Du bist der einzige, der es weiß.«
    »Und ich habe es vergessen. Ich lese nur noch die Bibel und denke nur noch an den Tod, und nun kommst du und verlangst, ich soll mich erinnern. Ich erinnere mich kaum noch, daß du mein Sohn bist, geschweige denn an den Gang.«
    Eine gespannte, atemlose Stille breitete sich aus, als ob jeder von ihnen die Luft angehalten hätte. Stephen erschrak fast, als Yehoshuah plötzlich neben ihm tief Luft holte und dann mit gepreßter Stimme flüsterte:»Vater — bitte!«
    Nichts geschah. Sie saßen da, draußen waren Stimmen zu hören, weit weg und unverständlich, und obwohl draußen ein heißer, heller Sonnentag war, saßen sie im Dunkeln und warteten, während überhaupt nichts geschah. Stephen fing an, sich zu fragen, ob Yehoshuahs Vater womöglich gerade eben in seinem Stuhl gestorben war, ohne daß sie es gemerkt hatten.
    Doch dann bewegte sich der alte Mann. Der Stuhl ächzte unter ihm, als er sich mühselig emporstemmte.»Der Gang«, stieß er hervor, keuchend von der Anstrengung, als er stand.»Immer wieder dieser Gang, er läßt mir keine Ruhe…«Gebeugt, mit kleinen, schlurfenden Schritten, bewegte er sich durch das Zimmer auf den Kleiderschrank zu.»Ein ewiger Fluch, der auf mir lastet…«Es war das Selbstgespräch eines wunderlichen alten Mannes. Er öffnete die Schranktüren und fuhrwerkte geräuschvoll darin herum, bis er schließlich eine schmale Mappe zutage förderte, mit der er an seinen Tisch und auf seinen Stuhl zurückkehrte.
    »Die ganze Geschichte beginnt während des vierten Kreuzzugs«, begann er dann zu erzählen, während seine steif und ungelenk gewordenen Finger sich abmühten, den Knoten des Bandes zu lösen, mit dem die Mappe verschlossen war.»Im Jahr 1219, wenn ich mich recht erinnere, belagerten die Kreuzfahrer die ägyptische Stadt Damiette. Während dieser Belagerung kam aus Italien ein Mönch angereist, Franziskus von Assisi, der Begründer des Ordens der Franziskaner. Dieser Mönch ging einfach mitten durch die feindlichen Linien der Kreuzritter und der Sarazenen direkt in das Lager des Sultans, trat vor diesen hin und predigte. Es ist überliefert, daß der Sultan sehr beeindruckt war und Franziskus auf dessen Bitte die Erlaubnis gab, die heiligen Stätten in Palästina zu besuchen.«Endlich hatte er den Knoten gelöst und konnte die Mappe aufschlagen.»Ich habe mich immer gefragt, was ihn zu diesem wahnwitzigen Unternehmen veranlaßt hat.«
    Eine Weile blätterte er in den Papieren, schob sie hin und her, schien etwas Bestimmtes zu suchen.»Mehr oder weniger seit dieser Zeit gibt es Klöster des Franziskanerordens in diesem

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