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Das Jesus Video

Das Jesus Video

Titel: Das Jesus Video Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Wirklich lange. Ich schätze, ich bin eine geschlagene Stunde da in meinem Loch gesessen und habe nichts getan als nachzudenken. Aber schließlich ist mir auch nichts Besseres eingefallen, als den Professor zu informieren.«Stephen nahm einen Bissen und kaute. Es schmeckte so gut, wie es roch. Wirklich ein Tip, dieses Lokal.»Und seine Reaktion finde ich bemerkenswert.«
    »Oha«, machte Yehoshuah.
    »Er schaut sich den Fund lange an, ohne etwas zu sagen. Dann sagt er leise zu mir, ich solle vorläufig niemandem davon erzählen.» Niemandem! «sagt er gleich zweimal und schaut mir ernst und eindringlich in die Augen. Und dann schickt er mich zu Pierre, dem solle ich helfen. Pierre, der nur Französisch spricht. Und alles, was ich an Französisch beherrsche, ist Oui und Non und Voulez-vous coucher avec moi? Ich meine, wie finde ich das?«
    Judith kicherte. Soviel Französisch beherrschte sie anscheinend auch.»Und jetzt verrätst du uns doch alles.«
    Stephen machte eine wegwerfende Handbewegung.»Ach, so was hat mich noch nie gekratzt; da kennt er mich einfach schlecht. Ich meine, er schickt mich weg, läßt über dem Schacht ein Zelt aufbauen, geht telefonieren, und am nächsten Tag taucht der Hauptsponsor der Ausgrabung auf, fällt mit einem ganzen Schwärm von Leuten ein wie Attila der Hunne — was hat das alles zu bedeuten? Glaubt er, ich höre auf, mich das zu fragen?«
    »Und was glaubst du, daß es bedeutet?«fragte Yehoshuah.
    »Also, eines ist klar: ein Toter, dem man die Bedienungsanleitung eines CamCorders mit ins Grab gibt, war auf keinen Fall ein Jude der Zeitenwende«, schlußfolgerte Stephen.»Ich denke, er wurde erst vor kurzem ermordet und dort vergraben.«
    Yehoshuah riß entsetzt die Augen auf.»Meine Güte. Glaubst du wirklich?«
    »Sicher bin ich mir nicht. Aber es könnte eine Erklärung sein.«
    Judith furchte nachdenklich ihre Stirn.»Aber warum sollte der Mörder seinem Opfer ausgerechnet diese Bedienungsanleitung ins Grab geben?«
    »Es muß ein entscheidendes Indiz sein. Ein verräterisches Beweisstück.«
    »Aber wenn sie verräterisch war, hätte er sie verbrennen können. Oder woanders vergraben. Das Grab seines Opfers war der denkbar schlechteste Platz dafür. Dort war sie doch so verräterisch wie nirgendwo anders. Stell dir vor, sie wäre nicht da gewesen -jeder hätte den Toten für einen normalen archäologischen Fund gehalten.«Hinter Judith begann schon wieder jemand, seine Zeitung raumgreifend auszubreiten. Diesmal kratzte die Oberkante des hebräischen Blattes an ihrem Hinterkopf, was sie jedoch noch nicht zu bemerken schien.
    »Du hast vorhin gesagt, der Tote lag in der Nekropole«, fügte Yehoshuah nachdenklich hinzu.»In einer Reihe mit den anderen Gräbern.«»Ja.«
    »Das heißt, der Mörder muß schon vor vielen Jahren von dieser Siedlung gewußt haben, oder?«»Ah«, machte Stephen,»und das, obwohl sie erst letztes Jahr auf Satellitenbildern entdeckt wurde. Richtig.«
    »Genau. Das ist seltsam.«
    »Wenn ich eine Leiche vergraben wollte«, warf Judith grimmig ein und fuhr sich über das Haar, verfehlte aber die Zeitung um Haaresbreite,»dann wäre eine unentdeckte archäologische Fundstätte doch der denkbar dümmste Platz, oder? Ich meine, wenn ich jemanden umgebracht habe, dann will ich doch, daß man ihn möglichst nie wieder findet.«
    Stephen starrte an ihr vorbei, auf die mit hebräischen Schriftzeichen bedruckte Zeitungsseite, auf der, obwohl er kein Wort Hebräisch lesen konnte, irgend etwas seine Aufmerksamkeit erregt hatte. Oder war es der Mann, der sie in dem dämmrigen Kneipenlicht zu lesen versuchte?»Vielleicht wollte der Mörder, daß die Leiche gefunden wird«, überlegte er laut.»Und er wollte auch, daß man sie sofort als Mordopfer identifiziert. Und noch etwas — John Kaun ist da draußen mit seinen Leuten. Nicht die Kriminalpolizei. Was hat das zu bedeuten?«
    Judith tastete wieder über ihre kohlenschwarze Lockenpracht, und diesmal bekam sie die Zeitung zu fassen, fuhr zornentflammt herum und schrie den Mann an, auf Hebräisch, aber es war nicht schwer zu erraten, was sie so wütend machte. Stephen grinste, als der andere, ein schmächtiger bebrillter Mann mit einem mächtigen Schnauzbart, unter vielen erschrocken vorgebrachten Entschuldigungen seine Zeitung umständlich zusammenzufalten begann.
    Und da entdeckte er plötzlich, was ihm vorhin aufgefallen war.»Judith!«
    Sie sah ihn irritiert an. Er stand auf, beugte sich über den Tisch, ohne

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