Das Jesus Video
darauf zu achten, daß er dabei den Salzstreuer und die Vase mit den Plastikblumen umstieß, und griff nach der Zeitung.»Dieses Foto!«rief er, packte fester zu, entriß dem Mann die Zeitung und legte sie vor Judith hin.»Was steht da? In der Bildunterschrift?«
»Stephen? Was soll das?«
Er pochte mit dem Zeigefinger auf das Foto.»Das ist der Mann, der mit dem Taxi kam. Als wir gerade abfuhren. Was steht da?«
»Welcher Mann?«
Stephen bohrte seinen Blick in den ihren.»Lies einfach, was da steht. Tu es einfach.«
»Stephen, welchen Mann meinst du?«
»Du machst mich wahnsinnig«, knurrte Stephen.»Yehoshuah, du. Was steht da, um Gottes willen?«
Yehoshuah beugte sich verblüfft, aber folgsam über das Zeitungsfoto, das offenbar in einem Flugzeug aufgenommen worden war.»Peter Eisenhardt, der bekannte deutsche Schriftsteller, reist zur Zeit durch Israel, um Recherchen für seinen nächsten Roman…«
»Peter Eisenhardt!«rief Stephen aus.»Genau. Danke!«Er zog ihm die Zeitung wieder weg und reichte sie dem Besitzer zurück, der der Szene mit offenkundiger Verständnislosigkeit gefolgt war.
»Als wir im Lager abfuhren, stand da ein Taxi, das kurz vor dir kam«, sagte er, zu Yehoshuah gewandt.»Und ich fragte dich noch, wer der Mann sei, erinnerst du dich?«
Yehoshuah nickte.
»Ich wußte, daß ich dieses Gesicht schon einmal auf einer Fotografie gesehen hatte, aber der Groschen wollte einfach nicht fallen, wer das ist. Jetzt weiß ich es.«Einer der Teilnehmer der Brasilienexpedition war ein Deutscher gewesen, der zwei Taschenbuchausgaben von Romanen Peter Eisenhardts im Gepäck gehabt hatte. Auf den Umschlagrückseiten war der Autor abgebildet gewesen.
»Ja, und?«fragte Judith stirnrunzelnd.»Mir sagt der Name nichts, tut mir leid.«
Stephen lehnte sich in seinem Stuhl zurück, und für einen Augenblick schien die Geräuschkulisse des Lokals um ihn herum hochzubranden, eine Flutwelle aus Stimmen in den verschiedensten Sprachen, aus Gläserklirren, Lachen und Kratzen von Besteck auf Geschirr. Ein wahnwitziger Gedanke schoß durch sein Gehirn, ein absolut wahnwitziger Gedanke…
»In Deutschland«, sagte Stephen langsam,»ist er ein rela -tiv bekannter Science FictionSchriftsteller.«
Judith sah ihn an, er erwiderte den Blick. Stephen Foxx liebte wahnwitzige Gedanken. Das ganze Leben, das er führte, verdankte er einem anderen wahnwitzigen Gedanken. Aber dieser — schlug alles…
»Vielleicht«, überlegte sie,»will dieser John Kaun einen seiner Romane verfilmen. Und da beide gerade in Israel sind, haben sie ein Treffen vereinbart…«
Stephen schüttelte den Kopf, ganz langsam, fast unmerklich.»Kaun ist Nachrichtenmann. Filme interessieren ihn nicht. Er hat noch nie einen Film produziert.«
»Na schön, Mister Schlaumeier. Dann nicht. Dann sag du, was es bedeutet.«
»Ich weiß es nicht.«
»Science Fiction, sagst du?«grübelte Yehoshuah.
Stephen brummte nur. In seinem Hirn kochte es. Er starrte auf seinen halb leergegessenen Teller hinab und hatte keinen Hunger mehr. Science Fiction. Genau.»Können wir bitte machen, daß wir so schnell wie möglich hier rauskommen?«bat er matt.
Sie ließen die Straßen hinter sich, in denen aus dem einen Restaurant die Klänge eines Jazzpianos drangen und aus dem nächsten das Weinen einer elektrischen Gitarre, die einen Bauchtanz begleitete, und es hatte etwas von einer Flucht an sich. Stephen marschierte vorneweg, ohne zu wissen, wohin es ging. In seinem Hirn kochte es noch immer.
»Stephen?«hörte er Judith hinter sich.»Ist alles in Ordnung?«
Er zog sein Mobiltelefon aus der Tasche und schaltete es ein.»Alles in Ordnung. Alles bestens. Ich muß nur mal in Ruhe telefonieren.«
»Telefonieren?«
An einer massiven Steinmauer, die bestimmt Tausende von Jahren alt war, blieb er stehen und begann zu wählen. Das dunkle Wasser des Hafenbeckens manschte gluckernd gegen die Mole, die schwarzen Umrisse von Schiffen waren zu erahnen, und es war still. Die beiden holten ihn ein.»Wen rufst du an?«wollte Yehoshuah wissen.»SONY.«
»SONY?«
Stephen hielt inne.»Würdet ihr beide bitte aufhören, alles zu wiederholen, was ich sage? Ich rufe die Firma SONY an, jawohl. Ich will alles über diese Videokamera wissen, was es zu wissen gibt.«
»Um diese Zeit?«
»In Japan ist es jetzt gerade«- er sah auf die Armbanduhr»kurz vor elf Uhr vormittags.«
»Du rufst in Japan an?«Yehoshuah rang sichtlich um seine Fassung.
»Das sagte ich, glaube ich. Ja.
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