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Das Jesus Video

Das Jesus Video

Titel: Das Jesus Video Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Schwüle brachte einen fast um. Eisenhardt blieb stehen, um sich zu orientieren. Das Zelt stand tatsächlich exakt über einer der quadratischen Gruben, und zwar einer der tief ausgehobenen. Sie mochte an die fünf Meter im Quadrat messen. Unmittelbar vor seinen Fußspitzen war eine Art Treppe ins Erdreich gegraben worden, mit großen, unregelmäßig hohen Stufen. An einer Stelle hatte jemand ein Brett eingefügt und mit Steinen befestigt. Eisenhardt begann vorsichtig mit dem Abstieg auf den etwa zwei Meter tiefer gelegenen Boden der Ausgrabungsstätte.
    Irgend jemand, wahrscheinlich Kaun, betätigte einen Schalter, und vier an der Zeltdecke befestigte Lampen, die Eisenhardt bis zu diesem Augenblick noch nicht bemerkt hatte, flammten auf und tauchten das Areal in gleißend helles Licht. Eisenhardt blieb einen Moment stehen und schaute sich noch einmal um. Wie lange mochte es gedauert haben, allein dieses Loch zu graben? Und ringsum hatten sie Dutzende solcher Ausschachtungen in den Boden getrieben.
    Die Wände steckten voller großer Steine und wirkten, als könne ein einziges lautes Wort sie zum Einsturz bringen. Der Boden war flach, festgetreten und sandig, und in dem Eck gegenüber hatte man etwas mit einer dunkelblauen Plastikfolie abgedeckt.
    Das große Geheimnis.
    Der Fund, der Gehirnwindungen verknoten konnte.
    Einen Moment lang spürte Eisenhardt, daß er Angst hatte einfach, weil er in einem fremden Land war, in einer fremden Umgebung, weil der mächtige Vorstandsvorsitzende eines mächtigen Konzerns etwas von ihm erwartete, von dem er nicht einmal wußte, was es war, geschweige denn, ob er es würde vollbringen können. Diese Angst hatte von jeder Zelle seines Körpers Besitz ergriffen, leise, undramatisch, aber unerbittlich, ließ ihn jeden Schritt voller Anspannung tun, ließ ihn die Schachtwände ansehen und bedrohlich finden. Angst. Sie war ein alter Begleiter. Vielleicht der Grund, warum er schrieb, anstatt Abenteuer zu erleben. An seine Kindheit erinnerte er sich als an eine aufregende, ekstatische Zeit voller Wunder und Entdeckungen. Aber eines Tages war die Angst dagewesen, und er war nicht mehr hinausgegangen, sondern war zu Hause geblieben und hatte angefangen zu schreiben.
    Er atmete tief durch, spürte dem Atem nach, während er ausströmte. Er hatte entdeckt, daß es unmöglich war, Angst zu haben in dem einen, winzigen Moment, in dem die Ausatmung beendet, die Lunge leer war. Manchmal war diese Sekunde sein Fenster in die wirkliche Welt, in die Welt, wie sie aussah ohne die Angst in seinen Augen, seiner Netzhaut, seinen Nervenfasern. Und jetzt, in diesem Moment, spürte er, daß jenseits der Angst wieder diese kindliche, erregte Freude war, als wäre sie nie weg gewesen.
    »Kommen Sie«, sagte Kaun. Seine Augen funkelten vielversprechend.»Hier herüber. Ziehen Sie die Plane beiseite.«
    »Bitte behutsam«, setzte WilfordSmith ruhig hinzu.
    Im Grunde war die Grube nicht anders als ein großes Zimmer, dessen Decke fehlte und durch eine Zeltkuppel ersetzt worden war. Eisenhardt folgte der Aufforderung des Medienmagnaten, griff nach einem Ende der Plane und hob sie vorsichtig an.
    Darunter lag ein Skelett.
    Es sah nicht ganz genau so aus wie das Skelett aus dem Biologieunterricht. Die bleichen Teile dieses Skeletts lagen schief durcheinander, als hätte ein großes Gewicht den toten Körper plattgedrückt. Eisenhardt dachte an die Erdschichten, die abgetragen worden waren; wahrscheinlich war genau das passiert. Die Knochen wirkten glatt und porös; er hatte Hemmungen, sie anzufassen. Aber er ging, nachdem er die Plastikfolie beiseitegelegt hatte, in die Hocke und starrte fasziniert in die leeren Augenhöhlen des bemerkenswert gut erhaltenen Schädels. Das war also einmal ein Mensch gewesen.
    »Wie gesagt«, wiederholte der Professor in seiner langsamen, höfliche Unaufdringlichkeit verbreitenden Sprechweise, was er vorhin schon einmal erklärt hatte,»dieses Grab ist ziemlich genau zweitausend Jahre alt. Die ganze Siedlung ist, soweit wir das heute sagen können, spätestens im Jahr 90 aufgegeben worden, und damals bestand sie nicht länger als etwa zweihundert Jahre.«
    »Ich verstehe«, nickte Eisenhardt und fragte sich, was denn nun das große Geheimnis sein sollte. Das war ein Skelett, schön. Damit mußte man rechnen, wenn man zweitausend Jahre alte Friedhöfe ausgrub. Eine Menge kahler Knochen, ungefähr anatomisch korrekt auffindbar, daneben ein paar Grabbeigaben, wie dieser flache

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