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Das Jesus Video

Das Jesus Video

Titel: Das Jesus Video Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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hinter der die Aufnahmecassette sitzen mußte, ließ sich nicht öffnen. Schon der entsprechende Knopf saß fest. Er zwängte den Fingernagel in den Spalt zwischen Deckel und Gehäuse und zog das Plastikmaterial des Deckels ein paar Millimeter weit auf. Irgend etwas war darin, ja. Eine Cassette, mit einiger Phantasie. Er würde bei Tageslicht noch einmal einen Blick hineinwerfen, vielleicht sah er dann mehr.
    Blieb nur noch eines zu versuchen. Stephen holte tief Luft und sah Judith an.»Er sagte, in fünfundsechzig Jahren wäre es wieder soweit gewesen. Mit anderen Worten, die Batterien haben sich fünfunddreißig Jahre lang erholt.«
    Ihre Augen wurden groß.»Meinst du, das reicht?«
    »Keine Ahnung. Werden wir gleich wissen.«
    Er setzte das Okular ans Auge, atmete ruhig durch, legte den Finger auf den Abspielknopf. Wahrscheinlich passiert überhaupt nichts, sagte er sich, aber sein Pulsschlag schien das nicht zu glauben. Er atmete noch einmal durch und drückte auf den Knopf. Es machte Klick. Und nichts geschah.

36
    Bei einem Wasserverlust von mehr als 4,5 Litern und damit über 5% des Körpergewichts kommt es neben starkem Durstgefühl zu ersten körperlichen Behinderungen: der Speichelfluß stockt, das Schlucken wird zunehmend unmöglich, die Stimme wird rauh und heiser, Mund-und Rachenschleimhäute und Augen röten sich, der Puls ist beschleunigt, Benommenheit und Desinteresse tritt auf. Es kann zu Panik kommen. Der Tod durch Verdursten tritt bei einem Flüssigkeitsverlust von mehr als 12% des Körpergewichts ein.
    Jerome K. Wilson, Überleben in der Wüste ALS ER ERWACHTE, war sein erster Gedanke: Ich brauche Batterien!
    Erst nachdem dieser Gedanke durch sein Hirn geschossen war wie der gellende Ton des Signalhorns im Pfadfinderlager, das alle aus dem Schlaf riß, kam ihm alles andere zu Bewußtsein: wo er war, warum er hier war, und was geschehen war. Daß er Judith im Arm hielt, sie die ganze Nacht in den Armen gehalten hatte. Sie lagen immer noch zwischen den zwei großen, kalten Steinen auf sandigem Boden, und es war verdammt kalt gewesen in der Nacht.
    Das hatte er natürlich immer gehört, jeder hatte ihm das erzählt: nimm dich in acht, in der Wüste kann es nachts sehr kalt werden. Er hatte es gewußt, aber er hatte es nie wirklich geglaubt. Tatsächlich hatte er es nicht fassen können, daß es in einer Wüste, die den Tag über mit Hitze und Eicht auf ihn eingeprügelt hatte, durch die er lief wie durch eine gigantische Bratpfanne, daß ein solcher glühender Ofen ahkühlen konnte zu Temperaturen wie im Eisschrank. Im Sommer! Kein Wunder, daß Steine zersprangen und Felsen platzten. Sie hatten sich aneinandergedrängt wie Erfrierende, hatten einander umschlungen, die kalten Nasen zusammengesteckt, und es hätte beinahe romantisch sein können, wenn es nicht so kalt gewesen wäre!
    Jetzt begann es schon wieder warm zu werden. Stephen hob den Kopf, äugte in Richtung des verhalten glühenden Balls, der da mit neuer Energie am Horizont hochstieg. Auch der Wind ging wieder, pünktlich zum Beginn des Tages.
    Sie mußten wohl irgendwann tatsächlich eingeschlafen sein. Judith schlief noch, das Gesicht sandig, erschöpft. Er nahm den Arm vorsichtig weg, mit dem er sie gehalten hatte, und richtete sich auf. Sein Mund fühlte sich staubtrocken an, tat richtig weh beim Schlucken. So ähnlich mußte sich Dörrobst fühlen.
    Sein nächster Griff galt dem Beutel. Er hatte die Kamera wieder hineingestopft und dazu die Einzelteile seines Handys, das er gestern nacht noch zerlegt hatte in dem Versuch, mit den Batterien daraus die Kamera in Gang zu bekommen. Es war eine abenteuerliche Fummelei im Dunkeln gewesen, mit Kabeln und Haarnadeln, doch es hatte sich nichts gerührt. Jetzt, im ersten Tageslicht, besah er sich die einzelnen Teile noch einmal genauer. Es war, wie er befürchtet hatte. Die Batterien aus seinem Telefon, seit Jahren in Betrieb und mittlerweile reichlich ausgelaugt, waren nicht nur ohnehin schon fast entladen gewesen, sie hatten auch eine viel zu niedrige Spannung. Damit hatte er keine Chance. Er wog bewundernd die kleinen Batterien in der Hand, die er aus der Videokamera geholt hatte: aufladbar, stand da, und wenn man bedachte, daß sie mit einer einzigen Aufladung — sicher hatte der Zeitreisende kein Netzteil mit Aufladegerät mit in die Vergangenheit genommen, und wenn, dann hatte es ihm dort nichts genützt — zweitausend Jahre lang funktioniert hatten, dann konnte man sich nicht

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