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Das Jesus Video

Das Jesus Video

Titel: Das Jesus Video Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Kilometern ohnehin auf die Sinaistraße stoßen.
    Das Mitteilungsbedürfnis ließ nach, je höher das Zentralgestirn in ihrem Rücken stieg. Die Worte schienen förmlich zu verdunsten. Und ausgerechnet jetzt trotteten sie durch eine Landschaft, die eben war, ohne den geringsten schattigen Spalt, ohne größere Felsen, ohne irgendeine Formation, die auch nur entfernt als Unterschlupf für die Tageshitze getaugt hätte.
    »Soviel zum Unterschied zwischen Theorie und Praxis«, brummte Stephen mit spröden Lippen und sah sich mit einem wachsenden Gefühl der Beunruhigung um. Die Gegend sah aus wie ein gottverdammter riesiger Parkplatz. Nur daß niemand hier parkte und daß zuviel Kies herumlag.
    Und die Sonne brannte herunter wie blöde.
    Schritt um Schritt. Einen Fuß vor den anderen. Den Punkt am Horizont nicht aus den Augen lassen. Und der Durst. Er hatte es schließlich Judith gleichgetan und einen kleinen, glatten Kiesel in den Mund genommen, um daran zu lutschen. Man konnte sich einbilden, daß das den Durst linderte, zumindest das qualvolle Bedürfnis zu saugen.
    Niemand war zu sehen. Das wunderte Stephen am meisten: daß man sie nicht verfolgte. Es hätte ein Leichtes sein müssen, hier, wo sie wie auf dem Tablett liefen. Ein simpler Hubschrauber… Es gab kein Versteck, keinen Unterschlupf. Nur flaches Land und brennende, sengende Hitze, die kaum noch auszuhalten war.
    Vor ihnen, in unvorstellbarer Entfernung, flimmerten Umrisse schroffer, schwarzgebrannter Bergzüge durch den flirrenden Sonnenglast. Jeder Schritt hätte sie eigentlich diesen Hügeln, in denen es sicher schattige Risse und Spalten, womöglich sogar Berge oder feuchte Stellen gab, näherbringen müssen. Aber jemand hatte die Berge auf Räder gesetzt, zog sie genauso schnell, wie sie sich ihnen näherten, wieder von ihnen fort.
    Nur nicht stehenbleiben. Wenn er stehenblieb, das wußte er genau, würde er es nicht fertigbringen, sich wieder in Bewegung zu setzen, und das würde dann das Ende sein.
    Immer wieder fühlte er nach dem Beutel, in dem gut gepolstert die Kamera ruhte. Er hatte ihn vorne im Hemd stekken, ein weiches, lästig warmes Bündel, das sich allmählich mit seinem Schweiß vollsog. Jahrhunderte hatte dieses Gerät in kühlen, feuchten Verstecken verbracht, über tausend Jahre in einem Felsquader der Tempelmauer, den Rest im Schrein des Wüstenklosters. Und nun schleppte er es durch die lodernde Hitze des Negev. Konnte das gut sein? Konnte es sein, daß irgend etwas darin Schaden nahm durch die extreme Temperaturänderung?
    Judith, die gerade die Führung übernommen hatte, blieb stehen, drehte sich zu ihm um und wies mit einer kraftlosen Geste in eine Richtung, die fast senkrecht zu ihrer Marschroute lag, ungefähr im Süden. Stephen sah in die Richtung, in die sie wies, und erschrak dabei, wie hoch die Sonne schon am Himmel stand, wie grell sie flammte, als ob sie wütend sei und sich vorgenommen hatte, sie beide zu vernichten.
    »Was?«krächzte er, denn er sah nicht, was sie meinte.
    Sie sah ihn an mit einem leidenden, eingefallenen Gesicht.
    »Da ist irgendwas«, brachte sie heraus.»Ein Auto oder so was.«
    Jetzt sah er es auch — ein dunkler, rechteckiger, metallener künstlich wirkender Gegenstand. Ein Lichtreflex, wenn man genau an der Stelle war, an der Judith stand, wie von einem Spiegel im Sonnenlicht. Ein Auto! Ein Auto würde noch Wasser im Kühler haben. Ein Auto hatte eine Batterie. Eine Batterie! Zwölf Volt Spannung, damit konnte er etwas anfangen. Er würde sehen, was auf dem Video war.
    »Los!«machte er, aber vielleicht war es auch nur ein sinnloser Laut, den er über die Lippen brachte. Er ging voran. Ein irrwitziges Kichern gluckerte durch den Hintergrund seiner Gedanken; hatte er nicht vorhin gedacht, daß dieser Teil der Wüste dalag wie ein riesiger Parkplatz von Horizont zu Horizont? Ein Parkplatz — und da stand das einzige Auto darauf! Sein Zwerchfell hüpfte ein bißchen, während er marschierte, als wolle es anfangen zu lachen, aber der restliche Körper war zu ausgemergelt für derlei Anstrengungen.
    Es war tatsächlich ein Auto, ein kleiner europäischer Wagen, der, ehe die Sonne angefangen hatte, ihn zu bearbeiten, einmal weiß gewesen sein mußte: inzwischen hatte der Lack an allen Stellen, die dem Licht ausgesetzt waren, eine undefinierbare schmutzigbräunliche Farbe angenommen. Es war ein VW, soweit Stephen das beurteilen konnte. Alles, was an dem Wagen aus Chrom gewesen war, fehlte, auch die

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