Das Jesus Video
geben — Jesus von Nazareth. Jesus Christus.«
Für die Dauer eines Herzschlags hatte er das Gefühl, aus sich herauszutreten, sich selbst da stehen zu sehen in einer schmalen, dämmrigen Straße in Tel Aviv, das Echo seiner Worte von den stillen Häusern ringsum widerhallen zu spüren.Dann war es wieder vorbei. Er blinzelte.Was sagte er da?
»Stimmt«, sagte Judith nachdenklich.»Der hat damals gelebt.«
»Ja. Die Zeitrechnung beruht darauf.«Dann fiel ihm ein, daß die jüdische Kultur eine eigene Zeitrechnung hatte; daß man danach inzwischen ungefähr das Jahr 5760 schrieb. Aber selbst die Verwaltung des Staates Israel richtete sich nach dem christlichen Kalender. Auf Anhieb fiel ihm kein Staat der Welt ein, der sich nicht danach richtete. Ja, man konnte mit Fug und Recht sagen, daß die Zeitrechnung darauf beruhte.
Stephen spürte, wie seine Handflächen feucht wurden. Ein Schaudern kroch über seinen Rücken, in seinen Nacken. Das Brodeln in seinen Gedanken hatte aufgehört und war einer kristallinen Klarheit gewichen, die ihm fast den Atem raubte.
»John Kaun«, fuhr er fort, mit einer Stimme, die sich seltsam belegt anfühlte,»hat genau die gleiche Theorie aufgestellt. Deshalb ist er hier. Er sagt sich, daß irgendwo noch die Kamera sein muß, verpackt und versiegelt, um zwei Jahrtausende zu überdauern — und in der Kamera das Videoband.«
Er sah Judith langsam, verstehend, nicken. Er sah Yehoshuahs Gesicht im Licht der Straßenlaternen, und es sah bleich aus. Alles war klar. Die Teile des Puzzles hatten zueinandergefunden. Die Worte fielen wie die Dominosteine am Ende einer Kette.
»Dieses Video will er haben«, sagte er.
8
Die Beschaffenheit der Wandung mancher Gefäßtypen wurde untersucht, indem Stücke der Gefäßfragmente abgebrochen und in einem elektrisch geheizten, oxydierenden Ofen neu gebrannt wurden, wobei die Proben eine Stunde lang der Höchsttemperatur, 800-900°C für eisen-zeitlichebyz./fr.-arabische und 1000°C für mittelalterliche und spätere Keramik, ausgesetzt wurden. Durch die Oxydierung erhält die Scherbe meist eine hellere Farbe, und es werden Magerungszutaten sowie Überzüge besser sichtbar. Eventuelle Zerstörungen der Scherbe durch die hohen Temperaturen geben einen Einblick in die ursprünglichen Brenntemperaturen (vgl. Kap 111.5-1).
Prof. Charles WilfordSmith Bericht über die Ausgrabungen bei Bei Hamesh OHN KAUNS WOHNWAGEN konnte nicht anders als mit dem Wort» standesgemäß «beschrieben werden. Den größten Teil davon nahm ein luxuriöses Arbeitszimmer ein, dessen Wände mit dunklem Holz getäfelt und dessen Boden mit knöcheltiefem grauem Teppich ausgelegt war, auf dem ihre staubigen Schuhe Schmutzspuren hinterließen, deren Anblick regelrecht schmerzte. Ein gewaltiger MahagoniSchreibtisch, auf dem eine jener Messinglampen mit grünem Schirm stand, wie sie Eisenhardt bisher nur in amerikanischen Spielfilmen gesehen hatte, dominierte den Raum. Hinter dem mächtigen schwarzen Ledersessel hing ein Ölgemälde, das teuer aussah und es wahrscheinlich auch war, auf einem Beistelltisch stand ein Computer, auf dessen Bild-
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schirm sich das Firmensignet der Kaun Enterprises langsam drehte, und daneben eine ganze Batterie von Telefonen. Eisenhardt mußte an die Antennen denken, die ihm auf dem Dach des Wohnwagens aufgefallen waren, darunter eine große Antennenschüssel, die wahrscheinlich imstande war, direkt mit einem Fernmeldesatelliten zu kommunizieren. John Kaun mochte fernab seines Hauptquartiers in der einsamsten Ödnis sitzen, er tat jedenfalls, was technisch heutzutage machbar war, um seine Firma im Griff zu behalten.
Und das Beste war: der Raum war angenehm kühl.
»Was möchten Sie trinken?«fragte der Industrielle und öffnete einen Kühlschrank, prall gefüllt mit Flaschen, in denen Flüssigkeiten in allen Farben verheißungsvoll schimmerten.»Canadian Whisky für Sie, Professor?«
»Ja, bitte«, seufzte WilfordSmith und ließ sich in einen der Polstersessel sinken. Er sah müde aus.
»Sie, Mister Eisenhardt?«
Der Schriftsteller zögerte. Er trank selten Alkohol, weniger aus gesundheitlichen oder prinzipiellen Beweggründen als aus dem simplen Grund, daß er sich danach meistens weniger wohl fühlte als davor. Alkohol war für ihn etwas, das beeinträchtigte. Im besten Fall machte es ihn schläfrig.»Haben Sie etwas ohne Alkohol?«fragte er.
Kaun sah ihn an mit einem Blick, in dem Eisenhardt eine irritierte Mißbilligung zu lesen glaubte. Als
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